Ich vermisse die Zigarette, wie lange noch?

Wer erinnert sich nicht gerne an frühere Zeiten – zum Beispiel an den Urlaub aus dem vergangenen Jahr oder an „legendäre Partys“? Gedächtnisforscherinnen und -forscher wissen: Solche Erinnerungen haben auch ihre Tücken. War es tatsächlich so schön damals? Oder sind die Gedächtnisinhalte eventuell positiv gefärbt – weil es einfach angenehmer ist, sich an die schönen Dinge des Lebens zu erinnern?

Erinnerungen: auch von der Stimmung abhängig
Die Fachleute gehen davon aus, dass das Erinnern ein aktiver Prozess ist, bei dem das zurückliegende Ereignis von unserem Gehirn jedes Mal neu zusammengesetzt wird. Deshalb erinnern wir uns auch nicht immer genau gleich an Vergangenes: Das Ergebnis des Erinnerungsprozesses weist vielmehr von Mal zu Mal (meist leichte) Unterschiede auf. Beeinflusst wird dieser Prozess auch durch die Stimmung, in der man im Moment des Abrufens der Erinnerung ist: Sitzt man in fröhlicher Runde zusammen, fallen die Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes mit hoher Wahrscheinlichkeit recht positiv aus.

Oftmals positiv: Erinnerungen an das Rauchen
Bei jemandem, der oder die mitten im Prozess der körperlichen Entwöhnung vom Nikotin steckt – und eventuell sogar unter Entzugserscheinungen leidet – kann man sich leicht vorstellen, dass die Erinnerungen an das Rauchen eher positiv ausfallen. Und häufiger in der Aussage gipfeln: „Ich vermisse die Zigarette“. Auch wenn die Rauchmomente der Vergangenheit sehr wahrscheinlich gar nicht so durchweg angenehm waren – im Vergleich zum Entzug waren sie es allemal.

Normal und erst einmal harmlos: Gedanken an frühere Rauchmomente
Auch später noch, wenn die körperliche Entwöhnung längst abgeschlossen ist, kommen oft noch Erinnerungen an das Rauchen auf. Viele Menschen sind dann regelrecht erschrocken und schließen daraus, dass die Zigarette wohl doch noch eine Rolle in ihrem Leben zu spielen scheint. Oder sie befürchten gar, dass die Erinnerung einen Rückfall in alte Rauchgewohnheiten ankündigt. Entwarnung: Es ist völlig normal – und erst einmal auch harmlos – wenn Menschen noch Monate oder auch Jahre nach dem Rauchstopp an die Zigarette denken. Selbst dann, wenn mit den Erinnerungen ein Gefühl von Sehnsucht verbunden ist, gibt es keinen Grund für Alarmstimmung. Denn die Zigarette war eine jahrelange – oft sogar Jahrzehnte lange – regelmäßige Begleiterin im Alltag. Sie war bzw. wurde mit vielen positiven Erinnerungen verknüpft – denken Sie nur an die vielen Arbeitspausen oder zahllosen „Ausgehabende“. Verständlich, dass solche Erinnerungen immer mal wieder hochkommen können, ganz besonders in den Situationen, in denen man früher geraucht hätte.

Erinnerungen an das Rauchen: Auf die Reaktion kommt es an
„Erst einmal harmlos“, wie wir weiter oben geschrieben haben, sind diese Erinnerungen, weil es vor allem darauf ankommt, wie jemand auf sie reagiert. Unsere Empfehlung:

Die Erinnerung freundlich registrieren …
… als normal einstufen und dann …
… überlegen, was man sich Gutes tun kann.

Der letzte Schritt soll Ihrem Gehirn signalisieren: Auch wenn es diese angenehmen Erinnerungen an das Rauchen gibt – mein neues Leben als Nichtraucherin bzw. Nichtraucher hält jede Menge positive Ereignisse für mich bereit. Und ganz praktisch gesehen können Sie die Erinnerungen auch besser loslassen, wenn Sie angenehme „Ablenkungen“ haben.

Wie lange dauert das Vermissen noch an?
Nun zu der Frage aus der Überschrift: Wie lange dauert das Vermissen noch an? Die Frage ist nachvollziehbar – insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Erinnerungen so gar nicht zu dem Stolz passen, den viele angesichts des erfolgreichen Rauchstopps verspüren. So verständlich die Frage also ist: Sie lässt sich nicht seriös und zuverlässig beantworten. Denn unsere Erinnerungen lassen sich nur sehr begrenzt steuern. Stets kann einem jemand oder etwas im Leben begegnen (ein Mensch, ein Ereignis), der oder das mit dem Rauchen verknüpft ist – und schon ist die Erinnerung da. Dann am besten direkt die drei oben genannten Schritte einleiten: „Registrieren“, „als normal einstufen“ und „etwas Angenehmes für sich tun“.

Die Erinnerungen werden immer weniger bedrohlich
Für alle, die jetzt den Eindruck haben, so ein Rauchstopp könne zur „unendlichen Geschichte“ werden: Die Erinnerungen treten in aller Regel immer seltener auf und sie wirken auch immer weniger bedrohlich.

Um einem späteren Vermissen vorzubeugen, wird oftmals geraten, einen „Abschiedsbrief an die Zigarette“ zu schreiben. In der News der nächsten Woche zeigen wir Ihnen eine interessante Variante dieser Methode, bei der Sie gleich zwei Briefe schreiben.


Quelle:


Wüstenhagen, C. 2014. Wie werden wir uns in zehn Jahren an heute erinnern?. ZEIT. Online unter: www.zeit.de/zeit-wissen/2014/06/erinnerung-gedaechtnis-erlebnisse [Stand: 30.07.2019].