Der erste Nikotin-freie Tag. Der erste Tag ohne die Zigarette nach dem Frühstuck; nach dem Mittagessen, nach dem Schreiben eines Absatzes, zum Grübeln bei Denkblockaden, zum Kaffee am Nachmittag, nach dem Sport, zum Whisky am Abend, zum perfekten Überbrücken der Werbepause.
Oh mein Gott, bekomme ich gerade Lust auf eine Zigarette, wenn ich mir überlege, dass ich bei all diesen Situationen auf meine täglich elf Zigaretten verzichtet habe. Ja, es waren elf und ja, ich weiß es ganz genau. Allein diese Tatsache zeigt mir jedoch, dass das Rauchen nonstop mit einem schlechten Gewissen verbunden war. Ich rauchte nicht mitten auf dem Campus, damit meine Schüler mich nicht beim Rauchen sehen. Ich putze mir jedes Mal die Zähne, bevor meine Freundin kam und ging ungern gemeinsam mit ihr in die Bibliothek, da ich mir dort nicht die Zähne putzen konnte. Ich kam morgens schlecht aus den Startlöchern, denn nach der Zigarettenpause am Morgen fühlte ich mich leicht schummrig, so dass ich mich lieber mit dem Kaffee nochmal seelenruhig 20 Minuten vor den Fernsehen oder Zeitung setzte, anstatt zur Tat zu schreiten. Alleine dieses Wort – „Zigarettenpause“! Braucht der Mensch 30 Minuten nach dem Aufstehen, bei einer durchschnittlichen Wachheit von 16 Stunden, wirklich eine Pause? Oder ist es die pure Sucht, die einen fünf Minuten an den Balkonstuhl binden? Genau diese ständigen fünf Minuten über den Tag verteilt machen mich so unglaublich unproduktiv. Rechnen wir es doch einmal hoch: fünf Minuten mal elf Zigaretten macht 55 Minuten. Nun müssen wir seit Volksentscheiden in Bayern und eigentlich schon lange vorher den Weg mit berechnen, den ein Raucher durchschnitt zurücklegen muss, bevor er eine rauchfreundliche Umgebung findet, in der er rauchen kann. Denn meistens befindet man sich doch in rauchfreien Umgebungen: am Arbeitsplatz, in der Bibliothek, in Wohnungen, in Restaurants, in Bars, in der Bahn, am Bahnhof, am Flughafen etc. Nehmen wir also an, dass unser Büro im vierten Stock liegt, und es zum Rauchen keinen Balkon gibt, sondern man ganz das Gebäude verlassen muss. Nehmen wir vereinfachend und nicht allzu drakonisch an, dass wir während unserer Arbeitszeit fünf Zigaretten rauchen. Der Weg vom Büro bis zum Mülleimer, auf dem ein Aschenbecher montiert ist und meistens neben Haupteingängen steht sieht folgendermaßen aus: Ich laufe den Flur hinunter, nehme den Aufzug und laufe unten an der Rezeption vorbei und muss das gesamte Foyer passieren. Das machen also circa fünf Minuten pro Weg aus, was wiederum zehn Minuten Wegzeit pro Zigarette macht. Nun addieren wir: 55 Minuten für das Rauchen von Zigaretten plus fünf Zigaretten mal 10 Minuten Wegzeit macht 105 Minuten, macht fast zwei Stunden. Der durchschnittliche Raucher also, der nicht schon so verkommen ist, dass er in der Wohnung, im Auto oder am Schreibtisch raucht, kann also bis zu zwei Stunden seiner 16 Stunden Wachheit mit der Befriedigung einer Sucht verbringen. Welche Entscheidungen nicht zwei Stunden auslösen können! Ich entscheide mich beispielsweise umzuziehen, weil ich nicht zwei Stunden am Tag zur Arbeit pendeln will. Ich entscheide mich, mich von meiner Freundin zu trennen, weil ich kein Wochenendbeziehungstyp bin und ich nicht jedes Mal zwei Stunden hin und her fahren möchte. Ich entscheide mich, mir eine Putzfrau zu engagieren, die 15 Euro die Stunde nimmt, weil ich nicht zwei Stunden in der Woche putzen will, die Opportunitätskosten zur Arbeitszeit im Blick. So viele Entscheidungen können gefällt werden, um regelmäßige wiederkehrende, unproduktive und vermeidbare zwei Stunden zu sparen.
Ich entscheide mich, mit dem Rauchen aufzuhören. Normalerweise würde ich mir jetzt eine Denkpause gönnen, auf den Balkon gehen und gemütlich eine rauchen. Alternativvorschläge?