Liebe Polli,
herzlich willkommen hier bei uns Aufhörern! Ich freu mich, daß Du uns gefunden hast und gratuliere Dir zu Deinem Absprung.
Ich sehe zwischen Deiner Raucherkarriere und der meinen ganz ganz viele Parallelen. Was Du, denke ich mal, als gutes Omen werten kannst, denn ich habe den letzten Ausstieg vor viereinhalb Jahren zelebriert, habe es auch (wieder) geschafft, bin bis heute rauchfrei und glaube, aufgrund der Auseinandersetzung mit der Sucht und den Erfahrungen, die ich inzwischen mit ihr habe, stehen meine Chancen, auch rauchfrei zu bleiben, besser als noch in der letzten Nichtmehrraucherkarriere. Das ist doch schon mal ein Ausblick, der Dir gut gefallen dürfte, oder?
Dein Wiedereinstieg in das Rauchen ist ein Klassiker und lief bei mir genauso. Viele Jahre rauchfrei gewesen, inzwischen Kinder bekommen, auch durch rauhe Zeiten gegangen - und der Wiedereinstieg in das Rauchen aufgrund einer absoluten Nichtigkeit, die eigentlich gar kein Grund dafür war. Nur weil man sich eingebildet hat, die eine können einen schon mal nicht zu Fall bringen. Es folgte eine Zeit des Verhehlens, des Rumeierns, des Ärgerns und den Schämens... ich kann Dir wirklich nachfühlen, was für eine Achterbahn Du da mitgenommen hast Polli. Und weißt Du was? Wir zwei sind damit auch nicht allein auf weiter Flur, diese Erfahrungen haben ganz viele andere auch noch gemacht, wie ich hier lernte. Das liegt daran, daß wir auf diese Finten der Sucht nicht vorbereitet sind. Das müssen wir erst erleben, um es ernsthaft glauben zu können... Du weißt es jetzt, ich weiß es, viele andere hier wissen es auch - lernen wir draus, in Ordnung? Aber ärgern brauchen wir uns jetzt nicht mehr. Es ist nun mal schon so, müssen wir so akzeptieren, und wir sind nicht alleine damit, es ist vielen anderen auch passiert. Mittlerweile bin ich sogar der Meinung, das hat auch nichts mit blöd zu tun, sondern es ist eine Erfahrung, die wir einfach noch nicht hatten, auf die wir nicht vorbereitet waren. Jetzt schauen wir nach vorne.
Unsere Kinder können ein starker Motor für uns und unsere Aufhörbemühungen sein, das war bei mir genauso. Und was besseres können wir für sie nicht tun. Wie alt ungefähr ist Dein Junge? Nimmst Du ihn mit auf Deinem Aufhör-Weg, weiß er daß Du aufhörst? Meine wußten es drei Wochen nach dem Ausstieg und ich muß sagen, sie haben damals im Kindergarten- und frühen Grundschulalter schon gut verstanden, um was es geht. Und allein daß sie es wußten, hat mir geholfen, es auch durchzuziehen. Ich wollte sie nicht frustrieren... Kannst Du das auch umsetzen?
Ich habe mir damals alles Rauchkraut vom Halse geschafft. Ich weiß, es gibt Aufhörer, die besser aufhören können, wenn sie theoretisch rauchen könnten, wenn sie nicht fürchten müssen, bei Schmacht auf dem "trockenen" zu sitzen, sondern sie die Wahl haben. Dazu gehöre ich aber nicht. Für meine Aufhörbemühungen wäre die Anwesenheit von Zigaretten der Todesstoß gewesen. Du mußt für Dich entscheiden, mit welcher Variante Du Dich besser fühlst, mit viel Selbstkritik und Ehrlichkeit. Da muß man gut in sich hineinhören, ob einem nicht nur die Sucht weismacht "Laß die Kippen da, damit Du selber entscheiden kannst..." und damit den Zugriff forciert... was empfindest Du da für Dich?
Komischerweise hatte ich auch vor dem letzten Ausstieg mehr Angst als vor dem davor! Beim ersten Mal habe ich einfach aufgehört, kurz und wild entschlossen, grinsend, engagiert, hat geklappt. Beim letzten Ausstieg war es nur Rumgeeier. Und wenn es schwer wird. Und wenn Du es nicht schaffst. Und wie sollen bestimmte Situationen funktionieren. Und willst Du überhaupt aufhören. Und wenn es dann nicht gut wird. Was hatte ich alles für "und wenns" im Kopf! Aber weißt Du, die Ängste sind nicht begründet. Es ist möglicherweise eine Umstellung, aber kein Verlust oder Verzicht. Wenn Du es nicht sofort schaffst, auch nicht wild, nimmst Du die Erfahrung mit, gehst den Weg weiter und setzt sie beim nächsten Mal sinnvoll um. Es kann auch mal sein, daß es nicht ganz so einfach wird, aber schau, es geht! Das siehst Du an allen, die es schon geschafft haben, auch schon länger durchhalten, und Du selber hast es auch schon erlebt! Das sind alles nicht Deine Gedanken, sondern die der Sucht, die um ihr Überleben feilscht. Aber Deins ist wichtiger. Sooooo!
Du gibst Dich auch nicht selber auf, wenn Du aussteigst, im Gegenteil. Du würdest Dich aufgeben, wenn Du vor der Sucht kapitulieren würdest! Weitermachen wäre Selbstaufgabe, Dein Wissen, Deinen Wunsch und Deinen Charakter von der Sucht überbügeln lassen wäre Selbstaufgabe. Aber Du willst was ändern: das ist Selbsterhalt und Selbstachtung. Und wenn Du fertig bist, bist Du upgegradet, müffelst nicht mehr, hast mehr Kondition, mehr Geld in der Tasche, bessere Haut, Haare, Zähne und Nägel - dafür zu sorgen kann ja kaum Selbstaufgabe sein. Hilft Dir diese Sichtweise auch etwas weiter?
Die Erwähnung Deines Auswurfes hat mich auch ein wenig erschreckt, da würde ich Dich vielleicht gern einladen, das vom Arzt abklären zu lassen. Du hast ja recht, die Ursachen können vielfältig sein, und wenn es nichts ist, hast Du Sicherheit. Laß es bitte anschauen Polli.
Nun lauf mal los in das neue Rauchfrei-Leben, und wenn Dir auf dem Weg Gegenwinde ins Gesicht blasen, trage sie hierher, und dann wird situativ reagiert. Gegen jede Entzugs- und Entwöhnungsbefindlichkeit nämlich ist ein Kraut gewachsen, Du bist nicht hilflos ausgeliefert. Schau einfach wie es läuft, bleib entspannt - Du schaffst das. So wie ich es auch nochmal geschafft habe.
Für heute einen recht sonnigen Gruß und gutes Gelingen von
Lydia