Grüß Dich Tabularasa,
habe Dich gerade im Junizug entdeckt, da komm ich jetzt mal in Dein Abteil und besuche Dich hier.
Ich sag`s Dir ich kenne das so gut, sich vom Rauchen übergeben zu müssen, aber neiiiiiiin, davon kommt es ja gaaaar nicht, mir war einfach mal eben übel oder das Bonbon war schlecht oder die Brezel zu salzig oder oder oder...
Nein. Die Zigaretten sind schlecht, das ist der casus knaxus! Im Mai-Zug hast Du schon von Selbstbetrug geschrieben, das ist ein wahrer Klassiker unter Rauchern, eine ganze Zeit lang haben wir das perfekt drauf, das betrifft oder betraf uns alle, damit bist Du nicht allein. Allein die Tatsache, daß Du das inzwischen reflektierst und artikulierst, hat Dich schon einen ganzen Schritt weiter gebracht. Siehst Du, Du kommst schon weiter! Dem "finalen Ausstieg" gehen durchaus Schritte voran, da spielt sich vorab schon was ab im Kopf, das muß auch so, und ja, das ist bei Dir schon auf dem Weg. Darf ich fragen, ist dies Dein erster Anlauf zum Rauchstop, oder bist Du schon mal abgesprungen?
Ich habe eben im Juni-Zug den Link auf das kostenfreie Rauchfrei-Startset gepostet, wäre das vielleicht auch etwas für Dich? Darin ist eine hilfreiche Broschüre, die Dich ein wenig durch den Ausstieg geleiten kann, und einige nützliche Kleinigkeiten wie zum Beispiel ein Relaxball zum Kneten in Streßsituationen und ein witziger Abreißkalender für die ersten 100 Tage. Würde Dir das zum Beispiel ein bisschen über die Runden helfen?
Rauchen kostet ja auch Zeit. Es gibt zwei Möglichkeiten zu rauchen: Entweder man "mißversteht" es als Auszeit. Oder man raucht "nebenbei", während man irgendwas macht. In beiden Fällen hilft gedankliche Neuorientierung: Wenn Du das Rauchen als Auszeit verstehst, dann nimm Dir die Auszeit weiterhin, und mach aber mit Aufmerksamkeit etwas anderes dabei. Eine Tasse Tee zelebrieren zum Beispiel. Oder plane Dir zum Beispiel nachmittags eine, anderthalb Stunden für Dich ein (denn so viel Zeit verqualmen wir als Raucher über den Tag garantiert), die Du Dir wieder eingespart hast, indem Du das Rauchen einstellst. So richtig mit Wecker und damit, Dir etwas schönes vorzunehmen. Das steht Dir zu, das brauchst Du, und mit der gesparten Zeit läßt es sich durchaus realisieren - man glaubt nicht, wieviel Zeit man verqualmt.
Und wenn Du zu der Sorte gehörst, die "im Vorbeigehen" raucht, so schnell nebenher, Handgriff machen, einen Zug, Kippe zurück in den Aschenbecher, weitermachen, so möchte ich Dich einladen, das was Du jeweils gerade tust, mit voller Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu tun. Fülle Deinen Kopf mit dem, was Du gerade tust, wende Dich mit Deiner Aufmerksamkeit dieser Tätigkeit zu: nimm die Sinneseindrücke wahr, die Du dabei erlebst. Hat das, was Du da gerade machst, einen spezifischen Geruch, ein Geräusch, inwiefern spricht Dich das an? Sowas ist zum Beispiel wichtig für Menschen, die am PC sitzend immer rauch(t)en, jetzt aufgehört haben, aber weiterhin am PC sitzen (müssen). Die können ja nicht damit aufhören. Hier kann man versuchen, andere Eindrücke in den Vordergrund zu stellen: wie klappert die Tastatur? Wie fühlen sich die Tasten an den Fingern an? Ist mir das Display zu hell, zu dunkel,...?
Vielleicht sind das so kleine workarounds für Deinen Alltag, die Du irgendwie einbauen kannst auf der Reise in Deine Rauchfreiheit.
Der Schritt, auszusteigen, ist ein großer, das wissen wir alle hier. Aber nicht unüberwindlich. Tu es für Dich. Artikuliere Dir Deine Motivationen, schreibe sie Dir meinetwegen auf Kärtchen, schiebe sie in eine Zigarettenschachtel und führe diese mit Dir mit. Und jedes Mal, wenn Du rauchen willst, greifst Du zu Deiner Schachtel, ziehst ein Kärtchen raus und läßt Dir auf der Zunge zergehen, warum Du jetzt nicht rauchst. Und steck einen auf Zigarettenlänge abgeschnittenen Trinkhalm dazu und "rauche" durch ihn Luft. Klingt jetzt komisch, besänftigt aber die Rauchlust tatsächlich etwas, weil das "look and feel" dasselbe ist. Sammle ein paar ausgedrückte Kippen in einem Schraubglas und füll da Wasser hinein. Wenn Du rauchen möchtest, öffne das Glas und riech daran, das riecht so ekelhaft, danach möchtest Du nicht mehr rauchen. Das sind so ein paar praktische Hilfsmittelchen, die auch einem durchaus philosophisch veranlagen Menschen wie Dir (und mir) Hilfestellung bieten können. Magst Du versuchen?
Ich freu mich auf die Fahrt im Junizug mit Dir Tabularasa! Für soweit erstmal alles, alles Gute, wir sehen uns! Viele liebe Grüße sendet Dir
Lydia