26.03.2016
18:44 Uhr
Hallo Steffi,
wie fühlst Du Dich heute? Was macht der Schwindel, was das Gemüt?
Ich unterstelle auch mal nicht, daß Du naiv bist. Es ist nur so, daß diese Sucht es schafft, sämtliche rationalen Denkprozesse total auszuhebeln. Daß sie es schafft, uns zu vermitteln, daß es erstrebenswert wäre zu rauchen. Daß es uns trotz aller Nachteile bereichern würde. Dein Verstand weiß ja auch, daß all das nicht der Fall ist - aber diese Überzeugung, daß es uns einen Gewinn bringt, spielt sich ja auch nicht auf Verstandesebene ab. Von Naivität kann damit keine Rede sein.
Daß es sich erst einmal anfühlt, als würden wir ein Opfer bringen, ist auch nicht selten, und erklärlich. Erstens war die Zigarette ja über lange Zeit hinweg stets verfügbar und präsent, wenig Situationen, die wir ohne sie bewältigt haben oder bewältigen mußten. Wir haben somit eine Menge Verknüpfungen geschaffen zwischen der Zigarette und Entspannung, Frohsinn, Ärger, Trauer, Hektik, guter und schlechter Laune, eigentlich jedem Gefühl und jeder Lebenslage. Jetzt müssen wir erst wieder all diese Gefühle und Lebenslagen "pur" erlernen. Das kann schon mal eine massive Umstellung bedeuten. Und zum anderen hat die Zigarette ja ein ungeheuer großes Suchtpotenzial. Das Weglassen derselben führt zu Entzugserscheinungen auch psychischer Natur, welche durch große Schmacht und die Frage nach dem Sinn der Abstinenz gekennzeichnet sind. Also ganz klar, daß Du Dich momentan fühlst, als würdest Du etwas drangeben, Steffi. Doch es ist nicht so.
Auch daß man nicht sofort und durchgängig von großer Euphorie angesichts seiner Rauchfreiheit gepackt wird, ist nicht weiter unnormal. Man ist vielleicht sogar enttäuscht, daß der Rauchstopp einem nicht sofort das Gefühl von Stolz und das Wahrnehmen der erhofften Freiheit gibt, sondern daß man sich all dies zu allem Überfluß auch erstmal noch erkämpfen muß.
Aber, Steffi, sieh Dich hier um. Viele hier, die schon länger davon weg sind, spüren diesen Stolz und die Freiheit und sind einfach nur noch froh, daß sie nicht mehr rauchen (müssen). Da reihe ich mich nahtlos ein, ich bin unglaublich erleichtert, es los zu sein und mehr noch, ich glaube persönlich hat es mich auch ein ganzes Stück weitergebracht, was das Vertrauen in meine Fähigkeiten angeht und das, was ich schaffen kann. Und das erlebst Du sicher auch noch. Ich bitte Dich nur um etwas Geduld und Widerstand. Es lohnt sich wirklich.
Was die Lehren von Allen Carr angehen: Es ist ja so, daß nicht jede Methode und jede Denkweise gleichermaßen für jeden Aufhörer geeignet ist. Auch kann man sich aus so einem Werk die Gedanken und Tips rausziehen, die man für sich persönlich annehmen kann. Also wenn es für Dich funktioniert, daß Du seine Methode, das Rauchen zu durchschauen, für Dich annimmst, aber nicht seine Meinung, daß die "Methode Willensstärke" nicht funktioniert - dann sei es so! Dann freu Dich darüber, daß Du die Finten der Sucht durchschaut hast, und setzt all Deine Willensstärke ein, um Dich über sie hinwegzusetzen. Dann ist das _Dein_ Weg. Der für Dich funktioniert. Und ich freue mich mit Dir und für Dich, wenn Du den für Dich gefunden hast.
Nun wünsche ich Dir ein frohes Osterfest. Laß doch wieder von Dir hören, wenn Du Zeit und Lust hast. Viele Grüße sendet Dir
Lydia