Guten Morgen André,
na die erste Schnapszahl feiern wir doch gern mit Dir. Es ist so toll, daß Du schon so weit gekommen bist - gerade in der ersten Zeit ist jeder Tag eine Superleistung, die es zu würdigen gilt! Da fällt mir ein, bei Dir habe ich doch mein Lieblingsthema - Belohnungen - zwar mal angetippt, aber noch nicht breitgelatscht richtig? Muß ich unbedingt nachholen!
Tatsächlich ist es so, daß das Rauchen neben allen anderen massiven Eingriffen in die Körperchemie auch das Belohnungszentrum im Gehirn anspricht, weshalb wir eine Zigarette auch immer als eine Art Belohnung erlebt haben - für getane Arbeit, für Leistung, für drei Minuten Abstinenz... Natürlich auch ein Trugschluß. Nun fällt diese Ansprache durch das Nikotin weg... wodurch sollen wir uns jetzt belohnt fühlen? Ganz besonders in Zeiten der Entwöhnung, wo wir eine Belohnung doch wirklich redlich verdient haben? Da und gerade jetzt müssen wir nun selbst dafür sorgen. Will heißen: Gönne Dir zwischendrin immer mal etwas, das Du als Belohnung empfindest. Dein Gehirn muß jetzt praktisch neu lernen, andere Reize als Belohnung zu empfinden, und das gerade jetzt! Wo Du sie brauchst und verdient hast. Also vernachlässige das nicht André. Du bist jetzt gerade sehr gut zu Dir, indem Du das Rauchen aufhörst, gehst sehr bewußt mit Dir um, also gib dem ruhig auch äußere Zeichen. Tut Dir ja auch gut und hilft dranzubleiben.
Möglicherweise machen sich die Schmachter noch eine Zeitlang bemerkbar, können wellenförmig auftreten, mal mehr, mal weniger, auch mal eine Zeitlang ausbleiben und dann wieder auftreten... Laß Dich davon bitte nicht verunsichern und nicht erschrecken. Der Entzug ist endlich. Irgendwann gibt es keine Schmachter mehr, keine Kämpfe, kein Aushaltenmüssen. Sei Dir sicher daß Du die Sucht schlafen schicken kannst, indem Du alles weiterhin so richtig machst wie jetzt. Du hast Dir selber eindrucksvoll bewiesen, daß Du es aushalten kannst. Sag doch mal ganz ehrlich, hättest Du vor elf Tagen gedacht, daß Du mal fast zwei Wochen lang ohne Rauch klarkommst? Hast Du Dir aber bewiesen, und was zwei Wochen lang klappt, klappt auch länger. Gehört während der Entwöhnung manchmal etwas Biss dazu, aber klappt! Und Du hast es Dir und Deiner Sucht schon gezeigt.
Zum Thema Kopfdiskussionen: ich weiß ja nicht wie es Dir geht, aber ich habe mich denen komplett entzogen, weil mir das am besten geholfen hat. Habe mich darauf nicht eingelassen. Denn irgendwie war mir ein bißchen klar, daß die Sucht, wenn ich mich auf Diskussionen einlasse, es schaffen würde, meine Argumente aus dem rationalen Zusammenhang rauszureißen und ins Gegenteil zu verkehren. In dem Moment, wo ich die Sucht durch eine Diskussion aufwerte, hätte ich schon verloren. Also mir hat dieses ganz klare "Nein danke, ich rauche jetzt nicht - und basta" in schwierigen Momenten besser geholfen als jede Diskussion mit der Sucht. Manche stützten ihre Argumente in diesen Momenten, natürlich, da funktioniert auch jeder anders. Aber für Dich mal so als kleine Überlegung... was tut Dir gut in so Schmachtmomenten? Die Diskussion oder die Überzeugung? Probier's mal für Dich aus.
Und mit der Reduktion liegen hier sehr unterschiedliche Erfahrungen vor, mehr frustrierende als erfolgreiche. Also ich selber reihe mich nahtlos in die Riege der Aufhörer ein, die mit Reduktion völlig baden gegangen sind. Hinterher mehr geraucht als vorher und völlig demotiviert ("... wenn ich es nicht mal schaffe zu reduzieren, wie soll ich dann schaffen, ganz aufzuhören???"). Tatsächlich war es für mich persönlich die bessere Idee, gleich ganz aufzuhören, weil ich es nur so schaffen konnte, die Sucht auszuhungern - und nicht mit der häppchenweisen Gabe von Futter ewig am Leben zu erhalten.
Und was die Menge angeht: Schau mal, die blanke Entgiftung ist nach so sieben bis zehn Tagen vorbei. Dieses Phase hast Du schon geschafft, ohne daß Du von massiven krankheitsähnlichen Einbrüchen berichtet hättest, wie z. B. schlimmen Kreislaufbeschwerden oder Blutdruckschwankungen, schweren Schweißausbrüchen bis zum Flüssigkeitsmangel oder auch Angstzuständen... Dann hätte ich das Aufsuchen eines Arztes angeregt denn selbst dagegen wären ausgleichende Maßnahmen möglich gewesen. Aber wenn ich Deinen Ausführungen so folge, kam es dazu bei Dir nicht. Und inzwischen dürfte die Entgiftung zumindest weitgehend, wenn nicht komplett abgeschlossen sein. Also rein gesundheitlich scheint Dich doch dieser zugegebenermaßen riesige Schritt bis jetzt erstmal nicht beeinträchtigt zu haben. Was jetzt noch ansteht, ist die Verhaltensänderung, die Entwicklung von neuen Nichtmehrraucherroutinen. Was das angeht, ist es meiner Meinung nach eher zweitrangig, wieviel oder wie wenig man da vorher geraucht hat. Viele "Wenigraucher" treiben extrem harte Entzüge um, weil das Rauchen bei ihnen stark ritualisiert war. Sie haut nicht die Menge in die Pfanne, sondern die Bedeutung, die sie jeder einzelnen Zigarette zugemessen haben. Und schließlich: Über "die eine" kann man auch stolpern, wenn man überhaupt nur eine am Tag geraucht hat. Da also bin ich der Meinung, daß es nicht ausschlaggebend ist, wie viel man vorher geraucht hat. Also ich bin da völlig bei Dir, Du hast das richtige getan und Deinen Weg gefunden. Glückwunsch hierzu!
Und jetzt schick ich Dich feiern und wünsche Dir noch einen schönen rauchfreien Tag! Herzliche Grüße sendet Dir
Lydia