50 Tage, 14 Stunden und 2 Minuten rauchfrei
50 Tage rauchfrei und stolz wie Bolle.50 Tage keinen einzigen Zug. Trotz Depris, Frust, Angst, Wut und Was-weiss-ich-noch-alles.
Ich glaube es finden sich nicht sehr viel Menschen die mich kennen und mir besondere Willenskraft oder großes Durchhaltevermögen bescheinigen würden. Und trotzdem bin ich noch dabei. Daher an alle, die auch gerne mit dem Rauchen aufhören würden: Was ich kann, das kann jeder und sein Hund. Und danke an jedes aufmunternde Wort hier im Forum für mich. Jeder einzelne Beitrag hat mir geholfen standhaft zu bleiben.
Kraft kostet es schon, das Nichtmehrrauchen. Viel Kraft. Jeder Tag ist ein Kampf, und jedesmal, wenn ich der Meinung war die Sache im Griff zu haben kam die nächste Gefühlswallung. Es gab Tage, an denen ich nicht viel mehr gemacht habe als nicht zu rauchen.
War es die Sache wert?
Manche Details meines Nichtraucherlebens sind gleich so toll, dass ich mich erst daran gewöhnen muss ;-)
Ich hätte da die eine oder andere Geschichte zu erzählen. Eine von gestern Abend, sie fängt an mit: Gestern war ich in einem Fast-Food-Restaurant. In der Geschichte geht es um nach ranzigem, altem Fett riechende Pommes und dem ersten Essen, das ich als Schwabe nicht aufgegessen habe, weil es eklig gerochen hat. Nicht, dass ich undankbar wäre. Normalerweise hätte ich einfach nichts gerochen, mir die Pommes reingekahlt und es wär mir den Rest des Abends schlecht gewesen. Ich hätte nicht mal gewusst wieso.
Nur muss ich jetzt eben damit fertig werden, dass so vieles so eklig riecht. Ich meine, es ist ja schon ein Witz von 'Regeneration der Geschmacks- und Geruchsnerven' zu sprechen. Ich habe 28 Jahre mit abgestumpften Geschmacksnerven gelebt. Ich muss Riechen und Schmecken komplett neu lernen, da ist Nix mit Wiederherstellen.
Zum Glück habe ich derzeit Schnupfen. Das dämpft das Geschmackserlebnis gerade ein bisschen...
Gut, ein paar Röschen gibt es schon auf dem Misthaufen. Manche Frauen riechen echt richtig toll. Irgendwann bekomme ich noch eine Handtasche an den Kopf weil ich an einem Hals schnuppere...
Also, was waren denn die Projektziele von '50-Tage-Nichtrauchen'? Was steht in meinem Nichtrauchervertrag?
An erster Stelle steht dort, dass die gesundheitlichen Gefahren für ältere, männliche Raucher immens sind und ich sie gerne vermeiden möchte. Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin in den letzten 50 Tagen kaum gealtert.
An zweiter Stelle steht, dass ich frei sein möchte. Nicht länger Knecht der Nikotionsucht sein möchte.
Da muss ich schon genauer nachdenken. Das Problem ist hier, dass ich mich allzu gerne und allzu schnell an neue Freiheiten gewöhne. Aber, schon auf den zweiten Blick weiss ich: Ganz allein dafür hat es sich gelohnt. Ich wollte es, ich habe es gemacht. Ich bin rauchfrei. Ich bin vielleicht nur ein ganz klitzekleiner Held, aber ich bin einer. Punkt!
Punkt Nummer drei war das bessere Aussehen. Haut und Zähne. Obwohl ich gerade einen Pickelschub durchlaufe würde ich bei der Haut zustimmen, bei den Zähnen eher nicht. Das kann daran liegen, dass ich derzeit Kaffee trinke als gäbe es kein Morgen. 50 Tage wollte ich es mir einfach an Nichts fehlen lassen. Nur Rauchen war eben tabu.
Punkt Nummer vier waren die sportlichen Ziele, die ich noch gerne erreichen würde.
Zu diesem Punkt werde ich in ein paar Tagen oder Wochen noch mal etwas schreiben können, denke ich.
Zusammengefasst würde ich sagen: Es läuft super!
Was gibt es noch:
Geldersparnis?
Ich habe in den ersten 50 Tagen 250 Euro eingespart. Dafür habe ich den doppelten Betrag für Klamotten und das dreifache des eingesparten Betrags für Essen, Trinken, etc. ausgegeben. Ein Jahr lang muss ich also mindestens noch rauchfrei bleiben bis sich die Sache amortisiert hat ;-) Dass ich ein bisschen in Vorleistung gehen muss war mir aber klar. Und so richtig stimmt die Rechnung auch nicht: Ich hätte mir ja sowieso Winterklamotten gekauft. Da wär' dann halt der Pulli für 150 Euro nicht drin gewesen. Und der ist richtig toll. Einkaufen macht manchmal schon ein bisschen glücklich.
Zeitersparnis?
Wenn ich weiter geraucht hätte, dann hätte ich inzwischen die unglaubliche Anzahl von 1000 Zigaretten weggepafft. Das ist für mich fast unvorstellbar. Gehe ich von 3 Minuten pro Zigarette aus, dann sind das 50 Stunden, die ich mit Rauchen verbracht hätte. Klar, ich habe oftmals noch was nebenher gemacht, telefoniert, mich unterhalten und sonst was. Ich habe aber auch Kippen eingekauft, bin ins Rauchereck marschiert, habe Aschenbecher geleert und was weiss ich noch alles. Gut, ich habe mit dem Verfassen und Lesen der Forenbeiträge hier auch Stunden verbracht. Aber das fällt bei mir wieder unter das Kapitel Vorleistung. Ich befasse mich immer weniger mit dem Nichtrauchen; die tägliche Zeitersparnis bleibt aber. Und in richtig knappen Situationen muss ich nicht zwingend eine Zigarette rauchen. Das entstresst schon ganz schön. An den richtigen Stellen habe ich also tatsächlich mehr Zeit.
Gesundheit?
In 7 Wochen lässt sich nicht alles vollständig reparieren, was ich in 28 Jahren systematisch ruiniert habe. Aber so langsam wird es besser, so langsam profitiere ich vom Nichtrauchen. Einiges nehme ich auch hin und freue mich gar nicht mehr gebührend darüber. Beispielsweise nicht mehr permanent verschwitzte oder eiskalte Hände und Füße zu haben. Ich kann mich kaum noch daran erinnern wie es ist im eigenen kalten Schweiss zu stehen. Oder Angst davor zu haben Kollegen die verschwitzte Hand zu geben.
Je länger ich über meine 50 Nichtrauchertage nachdenke, um so glücklicher werde ich.
Ja, die letzte Woche hat mich das Herbstwetter tief getroffen. Ich wüsste nicht, wann mich das Wetter zu meinen Raucherzeiten so berühren konnte. Ich bin nach der Arbeit durch die Stadt gelaufen und meine Augen waren einfach feucht wie eine Hundeschnautze. Gut, dass es derzeit schon so früh dunkel ist. Echt peinlich....
Ja, ich habe ein bisschen zugenommen. Obwohl ich seit 7 Wochen wieder kontinuierlich ca. 20 km die Woche laufe und eigentlich nicht mehr esse als früher sind es wohl 1, 2 Kilos mehr. Ich bemerke das sehr wohl, weil ich vorher gar Nix bauchmäßiges hatte, nicht mal einen Ansatz und egal, was ich gegessen habe, ich habe einfach nicht zugenommen. Jetzt schon.
Und trotzdem fühle ich mich in meiner Schwäche auch ein bisschen stark und authentisch. Ich vergewaltige meinen Körper nicht mehr mit einem Nervengift. Ich stehe die Scheisse auch einfach so durch. Manchmal stehend, machmal wankend.
Aber mich ergeben....? Heute jedenfalls sicher nicht!
Gruß,
Jürgen