Liebes Forum,
erst einmal ein herzliches Hallo an euch alle. Die durchweg freundliche und rege Kommunikation in diesem Forum hat mich dazu bewogen, nun auch einmal meine Gedanken zum Rauchstopp aufzuschreiben und mit euch zu teilen. Gut gefällt mir auch die Idee der Rauchfrei-Lotsen.
Ich muss warnen, dass mein Text etwas länger wird. Es hat sich so einiges - auch an Erkenntnissen - angesammelt, das ich gerne mit Gleichgesinnten - also euch - teilen möchte. :D
Ich habe vor 5 Tagen nach den beiden morgendlichen Zigaretten mit dem Rauchen endlich wieder aufgehört. "Wieder", da ich vor vielen Jahren nach dem Studium schon einmal aufgehört und 7 Jahre lang nicht geraucht hatte. Dann, in einer besonders stressigen Lebensphase, bin ich wieder in dieselbe Falle getappt: "Hey, du hast damals doch so erfolgreich aufhören können und den Suchtmechanismus vollkommen verstanden. Du kannst nie wieder süchtig werden. Wenn du dir ein oder zwei Zigaretten am Tag gönnst, wird diesmal alles ganz anders. Diesmal hast du es im Griff!"
Vor dieser Falle kann ich nur warnen!!!
Ich gehöre zu den Menschen, die hochsensibel in Bezug auf Stimmungen und Substanzen reagieren. Deshalb fiel mir schon damals das Aufhören zunächst super schwer. Dann habe ich "Endlich Nichtraucher" gelesen, und es hat beim 2. oder 3. Anlauf geklappt. Auslöser war übrigens die bekannte Werbung mit dem Slogan "Ich rauche gern". Mir wurde plötzlich klar, dass die nicht einmal ein Geheimnis daraus machten, dass sie diesen Satz den Leuten suggerieren wollen. Da fühlte ich mich (und meine Intelligenz) sich so verar****, dass es fast schon aus Trotz bei mir Klick machte und ich von Jetzt auf Gleich Nichtraucher war - von Anfang an (im Kopf) und ohne es für diesen Zeitpunkt geplant zu haben.
Doch kommen wir zu meiner heutigen Situation.
Ich habe inzwischen schon wieder seit vielen Jahren geraucht. Habe geheiratet, habe einen 1,8 Jahre alten Sohn und eine 2 Monate alte Tochter, eine tolle Frau, einen sicheren Job - und rauchte und rauchte. Mit am schlimmsten ist für mich die Vorstellung, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder so zu bekommen und für meine Kinder nicht mehr da zu sein. Ich bin übrigens jetzt 41 Jahre alt. Die Vorstellung, wie mein Sohn dann meine Frau fragt: "Wo ist Papa?", und ich bin nicht mehr da, weil ich das Rauchen nicht sein lassen konnte, treibt mir regelmäßig die Tränen in die Augen.
Ich hatte es auch schon ein paar Mal in den letzten Jahren versucht. Aber Allen Carrs "Endlich Nichtraucher" funktionierte nicht ein zweites Mal für mich. Vielleicht weil ich das Buch schon kannte und deshalb die Aha-Effekte ausblieben. Einen Versuch brach ich - auch für mich selbst überraschend - nach 2 Wochen ab, als wir bei Regen auf einer Stadttour durch Antwerpen an einer gemütlichen Kneipe vorbeikamen. :(
In letzter Zeit hatte ich nur noch ANGST vor den Entzugserscheinungen, auf die ich sehr emotional reagierte. Hinzu kommt sicherlich, dass sich alle meine Lebensgewohnheiten regelrecht um die Zigaretten herum eingerichtet haben. Lange Stressphasen beim Arbeiten zu Hause mit der (pseudo-entspannenden) Zigarette zwischendurch. Kein Sport (Bringt ja eh nix, wenn ich rauche). Viel Hörbuch hören, weil ich ehrlich gesagt immer schlapper wurde. usw. Die klassische Abwärtsspirale des Rauchers.
DANN schlug mir meine Frau vor, es doch einmal mit Nikotinpflastern zu versuchen. Die Idee von ihr war simpel und für mich mit deutlich weniger Angst verbunden: "So kannst du den körperlichen vom psychischen Entzug trennen. Erst einmal psychisch entwöhnen, dann körperlich." Nach einigen Recherchen im Internet habe ich auch gelesen, dass der eigentlich KICK und die größte Sucht beim Rauchen von den Nikotin-SCHÜBEN kommt. Es macht also offenbar deutlich abhängiger, wenn ich wie bei der Zigarette immer wieder einen Nikotingipfel mit anschließendem Tal durchlebe. Nikotin gleichmäßig zugeführt hingegen soll nicht so sehr abhängig machen.
Gesagt, getan! Seit Mittwoch klebe ich fleißig. Und tatsächlich ist selbst so die Entzugsarbeit ordentlich, da ich mich gerade am Anfang öfter Mal nach dem NikotinKICK gesehnt habe. Diese Sehnsüchte habe ich in den ersten beiden Tagen zusätzlich durch ein paar Nikotin-Lutschtabletten bei Bedarf kompensiert. Das ist dann zwar viel Nikotin auf einmal, aber ich habe das eh nur in den ersten 2-3 Tagen gemacht. Seitdem nur noch das Pflaster.
Selbst mit Pflaster tritt bei mir die "Trauer" nach den (vermeintlich) liebgewonnenen Rauchritualen auf, von denen Lotse Thomas an anderer Stelle so schön geschrieben hat. Ich stimme auch noch in einer anderen Sache Thomas voll und ganz aus eigener Erfahrung zu: Es scheint wirklich so zu sein, dass jede Situation im Alltag, die bisher mit dem Rauchen verknüpft war, einzeln nacheinander durch Wiederholung OHNE Rauchen auf ein rauchfreies Erlebnis umgelernt werden muss. Ich glaube, dass dies auch das Problem mit der gemütlichen Kneipe in Antwerpen war, von der ich oben geschrieben habe. Falls ich diesmal von so einer Situation noch einmal überraschend überwältigt werden sollte, halte ich meine Nikotin-Lutschtabletten bereit. Hauptsache ich greife nicht zur Zigarette. Und auch der Einsatz der Lutschtabletten soll natürlich auf absolute Notfälle beschränkt bleiben. Aber dieses "As im Ärmel" spannt für mich jetzt in der ersten Phase echt ein wichtiges Sicherheitsnetz.
Übrigens finde ich es umöglich, wenn viele Leute - teils aggresiv und überheblich - auf die Richtigkeit einer einzigen Methode beharren. Meist sind das die Leute, die damit rumprahlen, wie toll sie es einfach mit ihrer tollen Willensstärke geschafft haben. Solche Diskussionen arten meist in schlichte "Größenvergleiche" aus - ihr wisst schon, was ich meine. :wink:
Ich wäre doch blöd, wenn ich die Lösung eines Problems immer wieder auf dieselbe Art und Weise versuche, obwohl bisherige Versuche gescheitert sind und weitere, noch gar nicht ausprobierte, Lösungsansätze existieren. Das würde doch kein vernünftiger Mensch bei Problemen im Alltag oder bei der Arbeit so machen. :bang:
Zugegebenermaßen, steht mir der eigentlich Nikotinentzug noch bevor. Aber bis dahin gönne ich mir den "Luxus", erst einmal meine alten Gewohnheiten und Rituale auszumerzen und Trauerarbeit zu leisten, ohne auch noch körperliche Entzugserscheinungen aushalten zu müssen. Wie gesagt, ist mir der Entzug auch so schon in den ersten Tagen schwer genug gefallen.
Ich habe z.B. für mich erkannt, dass die erste Zeit der Umgewöhnung nach dem Rauchstopp einer Psychotherapie sehr nahe kommt. ;) Ich muss erst einmal ganz neue Strategien lernen (bzw. wieder entdecken), um mit emotional aufwühlenden Situationen umzugehen. Das heißt natürlich insbesondere Stress (z.B. Baby schreit ohne Ende), aber tatsächlich auch Glück und Freude. Klingt komisch, aber ich muss mich echt erst einmal wieder daran gewöhnen, Glück und Freude ohne die begleitende Zigarette erleben zu können.
Zum Glück habe ich, wie gesagt eine tolle und verständnisvolle Frau an meiner Seite, die mich unterstützt. So konnte ich mich in den ersten Tagen jederzeit zurückziehen, wenn ich von einer Situation überfordert war.
Ich zitiere wieder den Lotsen Thomas, der herausstellt, dass man [b]die wahrhaft internalisierte rationale Entscheidung[/b] treffen muss, nicht mehr zu rauchen. So war es wohl damals beim ersten Mal bei mir. Nun bin ich in der glücklichen Lage (Achtung: Ironie!;)), es diesmal ganz anders zu erleben. Die Frage ist nämlich, wie ich zu dieser "endgültigen Entscheidung" in der Praxis komme. Ich habe das praktisch so umgesetzt, dass ich mir diesmal klar gemacht habe: "Der Rauchstopp ist jetzt das WICHTIGSTE Projekt in meinem Leben. ALLES andere muss dahinter zurückstehen." Also:
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[*] Baby schreit: Mama kümmert sich darum, und ich gehe aus dem Raum
[*] Ab Montag muss ich wieder arbeiten und habe im Urlaub nicht alles geschafft, was ich aufarbeiten wollte: Die Welt wird schon nicht untergehen (Übrigens habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, den Vorgesetzten bei einer so großen psychologischen "Krise" einfach einmal offen darauf anzusprechen. Im besten Fall passiert das, was mir damals passiert ist. Chef: "Meine Freundin hatte damals dasselbe Problem. Du hast mein vollstes Verständnis. Mach Sparziergänge während der Arbeit. Sag Bescheid, wenn ich dich unterstüzten kann.")
[*] Ich wollte eigentlich das Schlafzimmer neu tapezieren: Na und, dann tue ich das halt, wenn ich soweit bin.
[*] Ich müsste eigentlich etwas für morgen vorbereiten: Hier meine Gedanken aufzuschreiben, ist mir im Moment deutlich wichtiger für meinen Weg zum Nichtraucher.
[*] usw.
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Soooooo. Ganz lieben Dank, wenn du dir tatsächlich alles durgelesen hast. :)
Ich habe noch viele andere Gedanken und Erkenntnisse... z.B. dass meine Frau findet, dass die Wochenbettdepression nach der Geburt und der Wunsch nach einem weiteren Baby dem Rauchentzug gleicht ;) Ich bin auch dankbar für alle Tipps oder Anregungen von euch.
Es ist ja echt nicht so, als fiele mir inzwischen der Rauchentzug super easy. Außerdem kommt noch der Entzug vom Pflaster auf mich zu. Hat da z.B. jemand Erfahrungen mit gemacht?
Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf euer Feedback!
Auch euch ganz viel Motivation und Positives beim Rauchstopp und liebe Grüße,
Chris