27.05.2016
23:32 Uhr
[size=2][b]2.285.061 Sekunden wieder normal - Mein kleiner Survival-Guide[/b][/size]
Hallo an alle und einen wunderschönen Abend!
Heute hatte ich ein interessantes Erlebnis. Mittags gehen einige KollegInnen und ich immer in dasselbe kleine Restaurant in dem es an die acht wechselnde Mittagsgerichte gibt, welche immer ausgesprochen lecker sind. Die Besitzer sind ein Pärchen, was sich immer bemüht, gute und gesunde Küche zu servieren - wenn möglich mit Zutaten aus lokalem Anbau und immer zusatzstofffrei. Mein Büro ist in einer Ecke in der es größtenteils nur Junkfood gibt, weshalb wir sehr dankbar sind das es diese Möglichkeit gibt.
Auf jeden Fall kennen wir uns schon einige Zeit und haben einen guten und herzigen Kontakt - insbesondere Daniela (liebe Grüße an dieser Stelle ;) ), wir sind auf einer Wellenlänge und haben dementsprechend viel Spaß wenn wir uns sehen. Beide sind Raucher und ich erzählte gleich am Anfang als ich die Kippen wegschnmiss, also vor nicht ganz vier Wochen, dass ich wieder normal bin. Fanden Beide toll, was mir natürlich zusätzlich Ansporn gab.
Heute also wieder dorthin. Hier in Hessen war es sehr ruhig Heute da gestern ein Feiertag war. Ruhig zumindest für die, die gearbeitet haben, nicht für die gefühlten Tausende im Stau, weil sie den Brückentag nutzen wollten um "mal in die Stadt zu fahren", was im Wesentlichen in "Frankfurt im Stau geniessen" endete. Naja, so sieht man mehr von der Gegend ;)
Kurz nachdem ich mein Gericht bestellt hatte fragte mich Daniela wie lange ich denn jetzt schon nicht mehr rauche. Ich war ziemlich verdattert - weil ich es schlichtweg [u]nicht wußte[/u]! Bedeutet: Ich habe bereits aufgehört die Tage zu zählen. Bei genauerem Nachforschen in meinem kleinen Kopf stellte ich sogar fest, dass ich gar nicht mehr weiß wie es ist zu rauchen. Verrückt. :oops:
Diese kleine Anektode nehme ich nun zum Anlass ein zweites kleines Resümee zu ziehen. Ich möchte dem Ganzen die Überschrift [b]"Survial-Guide"[/b] geben und hierin zusammenfassen, was mir durch die letzten vier Wochen, insbesondere in kritischen Situationen, geholfen hat dahin zu gelangen wo ich jetzt bin. Vielleicht hilft es Jemandem von Euch weiter. :)
[size=2][b]1. Ausrüstung, die ich mir vor meiner Reise in die Normalität besorgen sollte, da sie alles ein Stück leichter macht[/b]
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[u]Ausrüstungsteil 1: Erkenntnis: Rauchen ist sinnlos. [/u]
Hört sich banal an, oder? Sagt auch sofort jeder Raucher mit einem Schmunzeln im Gesicht... "Hahaha, klar ist das sinnlos!" ... und belügt sich dabei gründlich selbst. Natürlich sehen Raucher einen Sinn im Rauchen, sonst würden sie es ja nicht machen.
Hier die vermutlichen Top5-Gründe eines Rauchers warum er denkt, dass es sinnvoll ist zu rauchen:
[list]
[*] Rauchen entspannt mich
[*] Rauchen hilft mir Stress zu bewältigen
[*] Rauchen schmeckt mir einfach / Rauchen ist für mich Genuss
[*] Rauchen ist gesellig / gehört zu bestimmten Situationen einfach dazu
[*][i] (Pssst .... geheimer Grund den sich kein Raucher selbst eingesteht: Ich denke das mein Leben leer ist und keinen Spaß mehr macht wenn ich nicht mehr rauche...)[/i]
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... und hier, in aller Kürze, die Gründe warum dies Blödsinn ist:
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[*] Rauchen entspannt nur deshalb, weil es Deine Nikotinsucht lindert. [b]Punkt[/b].
[*] Rauchen verursacht Stress - nämlich die Nikotinsucht - und lindert genau diesen. Siehe vorherigen Punkt. Insofern lindert Rauchen genau den Stress, der das Rauchen an sich erst herbeiführt. [b]Punkt[/b].
[*] Rauchen schmeckt nicht. Test: Eine komplette Zigarette nicht inhalieren, sondern den Rauch lediglich in der Mundhöhle wie einen guten Wein schwenken, darauf herum kauen und den Rauch WIRKLICH schmecken. Ernsthaft: Schmeckt das? Natürlich nicht. Du brauchst den Nikotin-Kick der durch das Inhalieren kommt. [b]Punkt[/b].
[*] Bezüglich "Gesellig" und "Situationsbedingt": Das ist EXAKT das, was uns die Tabakindustrie jahrzehntelang erfolgreich eingeimpft hat. Und NUR das. (Gerne auch meinen vorherigen Post dazu lesen.)
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[u]Ausrüstungsteil 2: Erkenntnis: Es gibt keine Schmacht / kein Verlangen nach Zigaretten.[/u] Um bei meinem vorherigen Post zu bleiben: There is no spoon :-? ... weil...
[u]Ausrüstungsteil 3:[/u] Und jetzt, meines Erachtens, das Wichtigste: [b]Nikotinsucht ist in zwei Tagen erledigt und spielt keine Rolle, was dann noch bleibt ist lediglich eine Angewohnheit und somit eine Sache, welche ich mir im Laufe der langen, langen Jahre einfach selbst antrainiert habe![/b]
Ich rauchte seit ich ca. 14 war und tat dies ca. 30 Jahre lang. Zigaretten sind so dosiert, dass ich im Normalfall alle 45-60 Minuten eine Zigarette rauche (deshalb 20 Stück in der Packung). Ich rauchte im Schnitt alle 30 Minuten, also 1,5 Packungen am Tag, manchmal mehr. Dies hatte folgende Konsequenzen für mich:
[list]
[*] Durch die kurze Frequenz habe ich ZWANGSLÄUFIG so gut wie ALLE Situationen in meinem Leben mit dem Rauchen in meinem Gehirn verknüpfen MÜSSEN (Kaffee trinken, Wasser trinken, Cola trinken, Alkohol trinken, Pause machen, Stress spüren, keinen Stress spüren, nach dem Essen, vor dem Essen, nach dem Aufwachen, vor dem Schlafengehen, mit Freunden unterwegs, alleine zu Hause, auf der Party, vor dem Sport, nach dem Sport, Langeweile, Anspannung, nach dem Sex, vor dem Sex, anstatt Sex, ... usw... usw ... ). D.h. Zu allen Situationen "gehört" das Rauchen.
[*] Ich habe mein Leben zeitmäßig (alle 30 Minuten) als auch organisatorisch ("Habe ich noch genug Kippen für heute Abend?" , "Oh, kann jetzt gleich fünf Stunden nicht im Flugzeug rauchen also muss ich jetzt ..." etc. etc. ) komplett auf das Rauchen ausgerichtet.
[*] Rauchen war für mich 30 Jahre lang diejenige Tätigkeit, mit der ich mich am meisten, bewusst oder unbewusst, befasst habe! 30 Jahre lang!
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Wie kann ich also mein Gehirn davon überzeugen, dass ich das, was ich 30 Jahre antrainiert habe, von Heute auf Morgen über Bord werfe? Korrekt ... [b]Gar nicht[/b], weil das Gehirn so nicht funktionert! :|
Da muss ich schon schlauer vorgehen... :wink:
[size=2][b]2. Strategische Überlegungen - wie erreiche ich mein Ziel? [/b][/size]
Es kann nur ein Ziel geben: Nicht mehr zu rauchen. Ironischerweise hat man dies [b]SOFORT [/b]nach Ausdrücken [b]JEDER [/b] Zigarette erreicht.
[u]Ich denke[/u]: Keine weiteren Ziele setzen, da es meistens Pseudo-Ziele sind. Eines könnte z.B. lauten: "Ich möchte Nicht-Raucher bleiben!". Das ist kein Ziel, weil es auf der einen Seite permanent schon erreicht ist (Du bist ja Nicht-Raucher), auf der anderen Seite das Gefühl erzeugt, dass irgendwann etwas passieren muss, was mir zeigt, dass ich mein "Ziel" erreicht habe. Wird es aber nicht. DU BIST NICHT-RAUCHER!!!! :)
[b]Fazit[/b]: Keine Weiteren Ziele setzen, das macht nur Druck. Du hast das einzig sinnvolle Ziel schon erreicht. Ist doch toll, oder? :)
[size=2][b]3. Taktische Überlegungen - wie kann es für mich so einfach wie möglich sein mich vom Rauchen zu lösen?[/b][/size]
Ausgehend von der Erkenntnis, das Rauchen lediglich eine Verknüpfung der meisten Situationen in meinem Leben ist, muss meine Taktik sein, alle Situationen, in denen ich mich befinden kann, vom Gedanken des Rauchens zu entknüpfen. Das geht so:
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[*] Die verknüpften Situationen, bei denen ich geraucht habe, bewusst herbeiführen und sie, nicht rauchend, antrainieren, also die Verknüpfung Situation <=> Nicht-Rauchen trainieren.
[*] Neue Situationen herbeiführen und ausleben, die ich nicht mit Rauchen verknüpfe.
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Beispiele:
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[*] Bislang habe ich mit meinen KollegInnen eine Pause gemacht und eine Zigarette geraucht ===>>> Mit den KollegInnen BEWUSST in die Pause mitgehen OHNE zu rauchen (und OHNE Grundsatzdiskussionen über das Rauchen anzuzetteln ;) ). Nach fünf mal ist diese Situation entknüpft.
[*] Ich rauche während des Autofahrens ===>>> Während des Autofahrens nicht mehr rauchen. Das Auto fährt auch so. Ehrlich. Nach fünfmal merkt man sich das auch.
[*] Nach dem Essen habe ich immer eine Zigarette geraucht ===>>> Nach dem Essen gehe ich fünf Minuten spazieren.
[*] Ich mache jetzt regelmäßig Sport. Wollte ich schon immer mal machen! Klar, das ich dabei nicht rauche!
[*] Gerne schaue ich mir jetzt Filme im Kino an, was ich voher nie gemacht habe! Klar, das ich dabei nicht rauche!
[*] Ich versuche mich als MalerIN, das wollte ich schon immer mal machen! Klar, das ich dabei nicht rauche!
[*] Nein, ich fläze nicht mehr auf die Couch wo ich immer gequalmt habe, sondern kuschele mich ins Bett, so ich nie rauchte, und lese ein tolles Buch.
[*] etc. etc.
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Einfach, oder? :)
[size=2][b]4. HILFE, HOLT MICH HIER RAUS! Ich bin in der Scheiße - meine Gedanken drehen durch !!!!
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Alle Stricke reißen mal - Wenn der Kopf durchdreht und wider aller Vernunft annimmt: " .... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... muss ... rauchen ... "
[b]Check [/b]... folgendes sofort machen:
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[*] "Morgen rauche ich wieder, nicht mehr Heute" ... Wenn es hart kommt: "Nächste Stunde rauche ich, aber nicht jetzt"
[*] Fluchtartig das Gebäude für 5 Minuten verlassen und zügig um den Block gehen. SOFORT.
[*] Falls keine Flucht möglich: Wasser bist zum Abwinken in sich hineinkippen. Klopausen in Kauf nehmen ;)
[*] Youtube aufmachen, "nichtrauchen" eingeben. Videos anschauen (insbesondere "... in 90 Minuten ... "), AUCH ZUR PRÄVENTION, JEDEN TAG IN DER ERSTEN WOCHE UND DANACH BEI BEDARF ... Anti-Brainwash!
[*] Imaginäre Zigarette rauchen - ja, diese geradezu in sich hinein schlingen - fühlt sich tatsächlich genauso wie eine "echte" an (kein Witz!).
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[size=2][b]5. Oberhand gewinnen, positive Dinge nicht vergessen. Flashbacks erwarten. [/b][/size]
[b]Gewinne die Oberhand. Du bist die HerrIN in Deinem Kopf![/b] Die ersten beiden Tage waren für mich persönlich Hölle und ich musste da durch. Danach hatte ich die Oberhand und mein Leben hat sich zum Positiven entickelt. Das darf man nie vergessen (siehe vorhergehenden post von mir)!!!.
[b]Behalte die Oberhand![/b]
In meinem Fall: Ich hatte 30 Jahre geraucht und mich selbst darauf konditioniert zu rauchen. Ich weiß, dass ich dementsprechend lange brauche um mich wieder umzutrainieren. Das ist keine Schmacht, diese existiert nicht. Wenn ich diesen Flashback habe, dass ich denke rauchen zu müssen, ist es mir bewusst, dass ich eine Ecke in meinem Gehirn gefunden habe, die noch in der alten Schiene fährt - Zeit um dem nachzufühlen ... und auch diese Verknüpfung zu trennen!
[b][size=2]6. Kein Problem[/b][/size]
[b]Wichtig: Du bist kein Opfer und Du hast jederzeit die Wahl nicht zu rauchen![/b]
[u]Punkt.[/u] :-?
Viele liebe Grüße an Euch alle und ein schönes Wochenende,
Thomas