Liebe Andrea,
bitte sieh Deine fünf Tage nicht als "noch keine Woche" an. Sieh sie als fünf ganze Tage an, die Du rauchfrei hinter Dich gebracht hast. Später reden wir über Wochen, Monate, Du sprichst bei mir schon von Jahren - aber am Anfang redet keiner von uns über so lange Zeiträume. Da ist jeder geschaffte Tag ein großer Erfolg, und Du hast schon fünf davon! Die Leistung, von Tag 936 bis Tag 941 durchzuhalten, ist keineswegs mit der der Tage 1 bis 5 zu vergleichen! Die erste Zeit ist nicht immer einfach: dehalb sei Dir bewußt, daß Du schon jetzt ganz schön was gewuppt hast - und sei stolz drauf.
Rauchen als Befriedigung mißverstanden haben wir wohl alle. Ist ja auch ein chemisch einfach zu erklärender Vorgang: Das Nikotin dockt an die Rezeptoren für Glücksbotenstoffe im Hirn an, mir der Folge, daß das Hirn das Nikotin als Glücksbotenstoff fehlinterpretiert und "zufrieden" meldet. Und weil das Nikotin das ja so macht, schläft die körpereigenen Produktion der Glücksbotenstoffe auch ein. Und weil man meint, immer glücklicher zu sein, wenn man raucht, raucht man auch immer mehr, denn wir alle wollen glücklich sein. Fieser Mechanismus! Das macht einen Teil der Sucht aus: die körpereigene Produktion funktioniert nicht mehr und wir brauchen das Nikotin, damit die Rezeptoren versorgt sind. Unter anderem das macht das Gefühl fehlender Befriedigung, fehlenden Glücks, auch mieser Laune und Gereiztheit aus.
Die gute Nachricht ist: die Produktion rollt wieder an, bald kann Dein Körper das wieder ganz von selbst. Bis dahin unterstütze ihn tatkräftig, verschaffe Dir Glücksmomente. Das kann, da schließe ich mich meiner Vorrednerin uneingeschränkt an, durch kleine Belohnungen sein (die sowieso angebracht sind), schöne Düfte, Genüsse (es gibt so viele wunderbare Tee-Sorten zum Beispiel, falls Du dem was abgewinnen kannst...), Natur, Auszeiten oder auch Sport, der eine Menge dieser Botenstoffe freisetzt. Du gewinnst Deine Ausgeglichenheit und auch das Gefühl der Zufriedenheit zurück.
Was die Langeweile angeht, das ist nun mehr eine Frage des ritualisierten Rauchens. Mir fiel es anfangs auch schwer, in einer verdienten und /oder notwendigen Pause "bloß so da zu sitzen". Diese Zeit muß man ausfüllen, sich anderweitig beschäftigen. Dazu geht alles mögliche. Liegestützen, Wasser trinken, kritzeln oder malen (diese Ausmalbücher für Erwachsene sind doch derzeit überall erhältlich - und wenn's bloß ein paar Striche immer sind: die Finger sind beschäftigt). Kannst Dir auch das hier vielzitierte Aufgabenglas machen: Nimm Dir kleine Zettel, schreibe kleine Tätigkeiten drauf und fülle sie in ein Glas. Bei jedem Schmacht- oder Langeweileanfall ziehe eins davon und führe die Tätigkeit auch gleich aus. Da können Sachen draufstehen wie eben Liegestützen, Kniebeugen, ein Fenster putzen, Blumen gießen, zweimal die Treppe rauf und wieder runter oder eine Reihe stricken - ganz egal, was Dir einfällt. Das gibt Dir nicht nur die Möglichkeit, daß Du schnell was machen kannst, ohne groß zu überlegen, sondern auch das Gefühl, vorbereitet zu sein. Bist ja schließlich nicht machtlos.
Trinke viel Wasser, das kann schon mal sein, daß der Körper alle Flüssgkeit zum Entgiften nutzt, die er kriegen kann. Vielleicht ist Dein Mund deswegen etwas trocken. Zwischendrin lutsche zuckerfreie Bonbons (scharf am besten, wenn Du kannst und die magst, weil Schärfe gleichzeitig Schmacht unterdrückt). Man kann viel gegen die Befindlichkeiten im Entzug unternehmen, Du bist dem nicht wehrlos ausgeliefert.
Komm jederzeit her und berichte wie es Dir so geht. In zwei Tagen machst Du eine Woche schon voll! Das ist ja super! Da könnte man doch gleich mal mit dem Belohnen anfangen, findest Du nicht? Ich schon! Einen weiterhin recht schönen Rauchfrei-Tag wünscht Dir
Lydia