Guten Abend Roman,
natürlich hast Du Gedankensplitter, die durcheilen. Ich meine, Du hast uns mitgeteilt, daß Du seit etwa 40 Jahren geraucht hast. Eine Sucht, die wir so lange gefüttert haben, prügeln wir uns nicht innerhalb von drei Tagen aus dem Kopf. Ich möchte Dich daher um Geduld bitten. Allen Carr hat die drei Entzugsphase 3 Tage - 3 Wochen - 3 Monate definiert. Und es ist auch ein hier oft bestätigter Erfahrungswert: bis um die Drei-Monats-Marke rum können immer wieder mal Gelüste auftreten. Das heißt jetzt nicht, daß Du ab jetzt drei Monate lang mit nichts anderem als der Entwöhnung beschäftigt sein wirst. Du wirst schnell wieder zu Normalität zurückfinden, was z. B. Deine Schlafgewohnheiten oder Deine Konzentration angeht, und es wird auch zwischenzeitlich schon lange, schmachtfreie Phasen geben, die Dir einen Vorgeschmack auf die Freiheit und die Normalität geben, die auf Dich wartet. Das bedeutet lediglich, daß bis drei Monate nach dem Ausstieg noch Verlangen auftreten kann.
Bitte gesteh Dir daher zu, daß sich Dein Kopf derzeit noch mit dem Rauchverlangen beschäftigt. Es ist völlig normal so. Und das muß so sein, um Dich mit der Sucht auseinanderzusetzen und Dich abzunabeln.
[quote="Jogger_EM"]
Im Rückblick auf gestern muss ich allerdings feststellen, dass ich insgesamt dreimal am Tag nicht ganz ausgeglichen war und Mitarbeiter (berechtigt!) angeschnauzt habe: normalerweise würde ich aber darüber hinweggehen oder ruhiger reagieren. Hier werde ich heute meine Übungsfläche platzieren und versuchen ruhiger und gelassener zu bleiben.
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Dies kann im wesentlichen zwei Gründe haben. Zum einen sind so Schwankungen der Laune im Entzug (vor allem in der Anfangsphase) nicht selten. Die Umstellung des Stoffwechsels und der Psyche, auch die Veränderung chemischer Prozesse im Gehirn bedingen manchmal ein wenig Unausgeglichenheit. Und zum anderen müssen wir erst wieder lernen, unsere Gefühle (wie z. B. auch Frust und Ärger im beruflichen Umfeld) nunmehr ohne unsere "Krücke" zu bewältigen - welche ohnehin schon von vornherein dafür gesorgt hat, daß unsere Emotionen gebremst, "gedämpft" wurden. Jetzt prasseln sie unvernebelt auf uns ein, und damit müssen wir nunmehr lernen umzugehen. Aber dieses Wissen im Hinterkopf, kann man schon mal versuchen, ein wenig gegenzusteuern (Stichwort: durchatmen). Und Du tust schon das richtige dagegen: Bewegung an der frischen Luft gleicht aus, auch Dinge die man gern tut (biken).
(Und was das berechtigte Anschnauzen angeht: Ich habe in meiner Aufhörerzeit auch einmal infolge einer Explosion ein ziemlich heißes Eisen in meinem Umfeld angefaßt - es führte zu einer heftigen Auseinandersetzung, die jedoch, rückwirkend betrachtet, höchst überfällig war und im Ergebnis zu meinem Schaden nicht sein sollte - will heißen, vielleicht haben wir als Raucher manchmal einfach auch mehr weggesteckt und toleriert, das wir nunmehr, wieder "wir selbst", gewillt sind aufzuräumen... ich will mir ja nicht anmaßen, Deine Reaktion beurteilen zu können, aber vielleicht war es einfach... nötig...?)
[quote="Jogger_EM"]
Jetzt fällt natürlich auf, dass ich nicht mehr zur Raucherecke komme, nachdem ich da früher zigmal am Tag gesehen wurde. Ich wurde noch nicht angesprochen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es Thema unter dem Mitarbeitern zu sein scheint...Ich möchte aber nicht darüber diskutieren und wenn ich angesprochen werde, auch klar sagen, dass ich nicht mehr rauche (ich habe nur etwas Angst vor der Peinlichkeit, falls es wider Erwarten schief geht...:oops:)
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Du bist natürlich nicht verpflichtet, Dich als Nunnichemehrraucher zu outen. Und das Gefühl, daß Deine Entwöhnung zum Thema unter den Mitarbeitern werden könnte, sollte Dich nicht interessieren müssen. Du machst es nur für Dich selbst, es ist Dein Projekt, geht niemanden sonst an, betrifft niemanden sonst. Es ist Deine Entscheidung, die Du da zielstrebig umsetzt. Also ist es völlig irrelevant, was andere Menschen dazu sagen, darüber denken. Und solltest Du angesprochen werden, so plädiere auch ich für einen offenen Umgang mit dem Thema.
Was die Peinlichkeit angeht... nun, ein Rückfall ist prinzipiell in keinem Fall peinlich, weil es einfach jedem passieren kann. Die Sucht ist so stark und präsent in uns, daß sie grundsätzlich jeden von uns nochmal tacklen kann, da braucht sich keiner von uns sicherer zu fühlen als jeder andere (ich sprech da aus eigener Erfahrung in grauer Vorzeit). Also peinlich gibt´s in meinen Augen in diesem Zusammenhang nicht. Aber sollte Dir ein kleiner workaround helfen, wie wäre es mit diesem: Wenn Du angesprochen wirst und ehrlich sein möchtest, dann sage doch: "Ja es ist richtig. Ich rauche heute nicht." Heute wirst Du in jedem Fall durchhalten, richtig? Wenn Du gefragt wirst, wie lange schon, kannst Du mit Stolz die bereits erreichte Zeitspanne nennen, aber "Ich rauche heute nicht" ist eine Tatsache - und zwar eine, mit der man sich gar nicht blamieren kann. Und weiterführen mußt Du das Gespräch ja dann gar nicht... Laß Dir´s mal durch den Kopf gehen.
Was die Verschlimmbesserung des Geruchssinns angeht: Auch da ist es so, daß die Gerüche jetzt ungedämpft und unverfälscht auf Dich einprasseln. Sicherlich wird sich diese überintensive Wahrnehmung auch wieder einregulieren. (Wenn man zu lang an einem Parfum riecht ebenso wie wenn man sich zu lang im Schweinestall auf dem Bauernhof aufhält, nimmt man die Aromen nach einiger Zeit ja auch nicht mehr wirklich wahr. Ich vertraue auf diesen Effekt auch bei Deiner Geruchswahrnehmung. Du wirst Dich einfach dran "gewöhnen" denk ich.)
Ich finde es interessant wie reflektiert Du mit Deinem Rauchausstieg umgehst und lese Deine Berichte gerne. Vielen Dank daß Du uns mitnimmst auf Deine Reise ins Nichtmehrraucherleben. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute auf dem Weg, den ich gerne weiter mitgehe. Viele Grüße sendet Dir
Lydia