Guten Abend Byrd,
ich leide wirklich mit Dir, wenn ich so lese, wie es Dir momentan ergeht. Weißt Du, viele Aufhörer erleben gerade die erste Zeit als die Schwierigste. Eigentlich ist das auch nicht weiter verwunderlich: Der Körper entgiftet auf Hochtouren (in diesem Zusammenhang: darf ich nochmal anregen, daß Du viel, viel Wasser, auch ungesüßten Tee oder Fruchtsaftschorlen trinkst? Die Flüssigkeit hilft Deinem Körper, das Gift schneller auszuschwemmen), die früheren Routinen sind zusammengebrochen, neue sind noch nicht eingerichtet, die Psyche mault schon nach ihrer Doge - das ist schon unglaublich viel, was da auf einmal verarbeitet werden soll. Deshalb leiden ganz viele Aufhörer in der ersten Zeit am meisten.
Diese Angst, daß es jetzt für immer so bleibt, kenne ich gut aus meiner eigenen Aufhörerkarriere. Ich hatte diese Krise zwar nicht am Anfang schon, sondern eher erst später, aber an dieses beängstigende Gefühl, "was tu ich mir da eigentlich an, die Sucht wird mich ja doch mein Leben lang nicht in Ruhe lassen!" kenne ich auch. Aber laß Dir versichern Byrd: Das ist ganz klar eine Lüge der Sucht. Denn schau mal, was es hier für Tageszahlen gibt. Ich selber darf mich seit einigen Tagen über einen vierstelligen Tageszähler freuen, doch es laufen hier auch Leute mit ganz anderen Zählern in schwindelerregender Höhe rum: Meinst Du denn, das ware zu schaffen, wenn uns die Sucht für immer im Nacken sitzen würde? Aber ganz sicher nicht, das wäre viel zu anstrengend. Bitte laß Dir das als Beweis dienen, daß es aufhört Byrd. Da muß ich Dich jetzt einfach mal bitten, mir und all den Tageszählern hier zu glauben.
Auch dieses Verlustgefühl, das Gefühl des "Fehlens", ist hier kein Unbekannter. Das ist alles nicht strange oder freaky, sondern alles ganz bekannte Gefühle. Und auch erklärbar, denn ich meine schau mal, wie lange hat uns das Rauchen begleitet, in allen Lebenslagen! Was haben wir denn getan, um das Gefühl zu haben, zu kompensieren, uns zu beschäftigen, uns abzureagieren, zu entspannen, zu feiern etc.? Natürlich geraucht. Und jetzt fällt diese Krücke, auf die wir uns so ewig gestützt haben, weil wir dachten, sie trägt uns, plötzlich weg. Klar überfällt uns da das Gefühl, es fehlt was! Was wir dabei nicht gemerkt haben, um bei dem Bild zu bleiben, war, daß die Krücke immer kürzer und kürzer wurde und wir schon fast am Boden schleiften (Atemnot, Engegefühl, um bei Dir zu bleiben). Und jetzt sollen wir aus eigener Kraft wieder aufrecht gehen. Ist natürlich ganz nachvollziehbar, daß das erstmal viel Anstrengung kostet.
Bitte gibt Dir Zeit Byrd. Du sprichst von 20 Jahren? Ja es ist in der Tat schon mal eine Leistung, dann schon mal zwei Tage ohne Rauch auszuhalten, das meine ich wirklich ernst! Aber eine Raucherkarriere von 20 Jahren bekommst Du nicht innerhalb von ein paar Tagen aus den Knochen. Ich bitte Dich da um Geduld. Und schau mal, möglicherweise knabberst Du jetzt gewaltig, und vielleicht kommt das über die kommenden Wochen auch immer mal wieder auf, das schon. Aber was sind die kommenden Wochen gegen die 20 Jahre vorher? Und was werden sie sein gegen die vielen vielen Jahre, die Du dann in Deiner Freiheit so richtig genießen kannst? Ist es das nicht wert? Ich denke schon.
Du machst das sehr gut Byrd. Heute ist fast geschafft. Und morgen stehst Du auf mit der festen Überzeugung, diesen Tag rauchfrei zu überstehen. Einen Tag nach dem anderen. Und es wird besser. Es wird.
Weiterhin viel Standhaftigkeit und Optimismus sendet Dir
Lydia