Liebe Eli,
wie geht es Dir denn Stand heute? Beruhigt sich die Lage ein wenig?
Ich kann natürlich keine verbindlichen Prognosen bezüglich des Verlaufes Deiner Entwöhnung treffen. Aber für mich hört es sich fast ein wenig so an, als würdest Du schon in so eine Art "Endkrise" hineingrätschen. Solche Gedanken, wie Du sie hast, habe ich während der meinen nämlich auch geschoben (wenngleich sie ein ganzes Eckchen später war, aber auch in der Dauer gleicht keine Entwöhnung der anderen). Daß Du Dich fragst, wann Du endlich frei von den Gedanken an das Rauchen sein wirst, die Verflogenheit der anfänglichen Euphorie bedauerst, Dich rauchfrei so gar nicht glücklich, ausgeglichen und zufrieden fühlst und - in welchem Zusammenhang auch immer - Gedanken wie "dann hätte ich ja gar nicht aufhören brauchen" äußerst. All dies eben kenne ich aus meiner sogenannten Drei-Monats-Krise, die durchaus auch schon mal etwas früher beginnen kann, was bei Dir der Fall sein könnte. Und ich beneide Dich nicht darum und es tut mir so leid, daß Du durch eine solche nun durch mußt, weil ich persönlich das als einigermaßen schwierig empfand. Ich leide gerade so ein wenig mit Dir.
Was ich Dir aus eigener Erfahrung dazu erzählen kann ist folgendes: Ich habe mich lange hart getan mit diesem Zustand. Habe hier auch im Forum teilweise gepoltert, ich würde jetzt meinen Rückfall nehmen, es interessiert doch ohnehin niemanden, und warum tu ich mir das eigentlich an, wenn es doch eh nicht besser wird.
Stand heute bin ich sehr, sehr froh, daß ich während dieser Zeit nicht die Flinte ins Korn geworfen habe. Daß ich so hart zu mir selber geblieben bin. Daß ich hier im Forum geprollt habe nach Ungnaden und meinen Frust hier abgelassen habe, mal alle Damenhaftigkeit beiseite lassend. Denn es hat mir geholfen zu ertragen. Und eines Tages schließlich - war es vorbei! Ich bin morgens aufgewacht und spürte schon, irgendwas ist anders... Daß ich zu diesem Zeitpunkt an gar nichts gedacht habe, nicht mal ans Rauchen, wurde mir erst nach dem zweiten Kaffee klar. Es war als wäre ein Kippschalter umgelegt worden. Und das war wirklich ein Moment wie ein Sonnenaufgang.
Solche Krisen sind dazu da, durchschritten zu werden. Und die Auseinandersetzung mit ihnen dient dazu, die Entknüpfung der Gedanken mit dem Rauchen zu festigen. Es ist wie ein nochmaliges Aufbäumen der Sucht, mit ihrer letzten Kraft und allen Mitteln, die ihr zur Verfügung steht! Wenn ihr jetzt nicht die lebensrettende Dosis jenes Futters verabreicht wird, das uns zum Schaden gereichen wird, haben wir sie in Schach. Deshalb widersetze Dich ihr, gerade jetzt in dieser Zeit nochmal mit Kraft.
Und auch wenn es sich anfühlt, als würde Dich die Schmacht niemals in Ruhe lassen, und auch wenn Du den Sinn schon zu hinterfragen beginnst - das ist alles Lüge, die Schmacht kann Dich nicht ewig verfolgen Eli! Das schafft sie nicht, das redet sie Dir ein. Glaube ihr nicht.
Eine andere Sache ist natürlich die Struktur Deines Tages, da darfst Du Dir durchaus überlegen, wie Du die gestalten möchtest. Das ist aber auch ein Gewinn für Dich, bisher hat die Zigarette Dir den Tag aus der Hand genommen und Dich in Strukturen gepresst. Alles was jetzt kommt, kannst Du Dir selbst nach Deinen Wünschen zurechtlegen. Wie wäre es denn, Spaziergänge einzuplanen? Oder Nickerchen? Lesestunden? Oder Kaffee und Kuchen?
Die Belohnungen brauchen ja auch Zeit, um als solches bei Deinem Gehirn anzukommen. Weißt Du, auch diese Funktion haben die Zigaretten lange übernommen. Jetzt sind diese weg, in Deinem Fall nach sehr langen Jahren, und das Gehirn weiß einfach noch nicht sofort, andere Belohnungen auch als solche einzuordnen. Es muß das üben! Also höre nicht damit auf zu praktizieren, was Du kognitiv als Belohnung verstehst, was Du gerne tust oder genießt. Biete es Dir immer wieder an und widme es bewußt der Belohnung. Du kannst Dir auch etwas aussuchen, was Du grundsätzlich immer genießt und das erstmal praktizieren (eine aromatische Tasse Tee vielleicht, vielleicht auch mehrere Sorten und abwechseln) und diese als Belohnung zelebrieren. Wenn Du dann das Gefühl hast, daß Dir die Belohnung (in Form der Zigarette) nicht mehr so fehlt, probiere eine weitere Variante aus, einen Extraspaziergang vielleicht oder etwas anderes. Auch das wird wieder kommen!
Gestehe Dir noch etwas Zeit zu Eli. Ich weiß es ist schwer geduldig zu sein, das ist auch nicht gerade meine Kernkompetenz, da bin ich absolut bei Dir. Aber wir haben so viele Jahre, sogar Jahrzehnte geraucht: die in dieser Zeit eingeschliffenen Routinen sind nicht einfach mit einem Wisch zu tilgen. Da müssen wir bewußt ran und Alternativen gestalten. Aber ich habe keine Minute Zweifel daran, daß Du das schaffen kannst.
Laß Dich nicht unterkriegen. Und schreibe Dir weiterhin die Befindlichkeiten von der Seele. Es tut einfach gut, Last abzuladen, und viele hier wissen, was Du mitmachst und wie Du Dich fühlst. Aber es wird vergehen. Auch die komplizierteste Entwöhnung ist endlich.
Ich schicke Dir wieder eine Extraportion Kraft und Durchsetzungsfähigkeit. Diese Zeit ist nicht einfach, aber zu schaffen. Schau ich habe es geschafft, genauso wie viele andere hier - und Du kannst das auch. Herzliche Grüße sendet Dir
Lydia