Ich möchte hier einfach mal meine Erfahrungen zum Thema beitragen, vielleicht aus selbsttherapeutischen Gründen, vielleicht ist es aber auch für den/die ein oder andere/n interessant, der/die sich gerade mit dem Thema aufhören beschäftigt. Vorher möchte ich sagen, dass es sich hierbei um meine persönliche Erfahrung und Einschätzungen handelt, die keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben. Jeder findet seinen/ihren eigenen Weg und solange es funktioniert ist das gut und richtig.
Ich rauchte seit ich 14 war viel und regelmäßig, immer mehr als die anderen Kinder und Jugendlichen, später auch mehr als die Erwachsenen. Partyraucherin? Nicht dran zu denken, meine Party mit den Kippen startete morgens nach dem Aufstehen. Mit Ende 20 (noch vor der Kommerzialisierung durch Juul) habe ich nach einigen gescheiterten Aufhörversuchen die E-Zigarette für mich entdeckt. Und ich muss sagen: ich war begeistert. Wie geil war das bitte? Ich habe meinen gesamten Konsum damit kompensiert und mir hat - zumindest in den ersten beiden Jahren - auch nichts gefehlt.
Tatsächlich habe ich auch positive gesundheitlich Veränderungen gemerkt: weniger Husten, besserer Schlaf und klar nicht mehr stinken, keine gelben Finger - alles supi. Aber (dem aufmerksamen Leser vielleicht nicht entgangen) aufgehört habe ich damit nicht. Häufig habe ich die Stärke runtergeschraubt, nur um dann doch wieder hoch zu gehen oder einfach noch häufiger an dem Ding zu ziehen. Im Grunde war die E-Zigarette mein Schnuller. Und wie praktisch das doch war, ich konnte immer daran nuckeln, es stinkt ja nicht. Im Büro, in der Wohnung, im Auto, im Zugklo, im Kino (heimlich geht auch, man kann den Rauch quasi unterschlucken), einfach überall wo man mal kurz alleine ist - oder auch nicht, merkt eh keiner (hatte kein Geschmack drin). Immer direkte Befriedigung des Suchtdrucks - und zwar zack zack, (leider nur fast) so schnell wie mit der guten alten Kippe.
Das wäre vermutlich Jahre so weitergegangen, wenn nicht folgendes passiert wäre: Schicksalsschlag und wieder zur echten Kippe gegriffen, wieder regelmäßig geraucht. Dabei leider gemerkt: boah echte Kippen sind ja mega nervig! Auf der Arbeit ausstechen und runter vor die Tür, in der Wohnung auf den Balkon, aus dem Bett aufstehen, am Bahnhof in diesen gelben Kasten stellen. Einfach nervig. Aber halt: ich habe ja noch die E-Zigarette! Also was hab ich gemacht? In jeder Situation in der Kippe rauchen mit Aufwand verbunden war: E-Zigarette. Durch das Ding habe ich einfach permanent Nikotin in mich reingepumpt - ich bin sogar manchmal damit in der Hand eingeschlafen. Vollkommen absurd, Junkie halt.
Im Endeffekt hab ich vor ca. 100 Tagen mit Pflastern und Kaugummis aufgehört. Suchtpotential war hier für mich nicht vorhanden. Es half mir sehr, dass ich den Habitus (oral, was "auf Lunge" ziehen) von der Zufuhr des Suchtmittels getrennt habe.
Die E-Zigarette hat mich persönlich noch süchtiger gemacht, als ich es vorher war (was die Nikotinmenge und Zeit die ich ohne aushielt anbelangt). Trotzdem: ich kenne auch Menschen, die mit E-Zigarette aufgehört haben. Vielleicht waren diese auch konsequenter oder entschlossener als ich damals, ich gehe fest davon aus. Wie gesagt - jeder muss seinen Weg finden.
Wenn ich aber die mehrfach angesprochenen Tankstellen und Spätiwände voller Wegwerf E-Ziggis in ihren bunten Farben und Zuckerwattegeschmäckern sehe, muss ich sagen, dass die anfängliche nerdigen Bewegung oder harm reduction überrannt wurde und ihre Ziele von den Tabakfirmen torpediert wurden. Der Kapitalismus ist wirklich schnell, aber leider egoistisch. Und wenn Firmen im Kapitalismus Geld mit dem Verkauf von E-Zigaretten, Liquids und Verdampfern verdienen, wollen sie nicht, dass ihre Kunden aufhören, sondern sie wollen sie süchtig(er) machen. Und hier finde ich es wirklich schwierig dies als Kiddies Influencer Lifestlye abzutun - es ist genau die gleiche perfide und gefährliche Masche wie bei gewöhnlichen Zigaretten (auf die wir alle reingefallen sind): nämlich die Vermittlung eines Lifestyles (und zwar immer Freiheit/Individualität) und die Verharmlosung von gesundheitlichen Folgen durch Pseudoinnovationen (Filter, besondere Filter, „Its Toasted“, Light Kippen, Heats, E-Zigaretten), die alle nur dazu da sind dem oder der Süchtigen die kognitive Dissonanz ein klein wenig zu reduzieren, damit er/sie bloß weiter süchtig ist.
Wie gesagt, das sind meine Erfahrungen und meine Meinung. Hätte man mich danach vor 3 Jahren gefragt, sicher wäre meine Einschätzung anders gewesen. Es ist toll, wenn man es schafft mit der E-Zigarette mit dem Rauchen aufzuhören und dann ist diese Methode individuell betrachtet richtig und gut. Gesamtgesellschaftlich und gesundheitspolitisch war die Einführung und viel zu späte Regulierung des Marktes für Heeters und E-Zigaretten ein riesiger Fehler und grenzt meiner Meinung nach fast schon an fahrlässige Körperverletzung an der (meist leider noch jungen) Bevölkerung.