20.05.2019
17:46 Uhr
Lieber Aki,
In einem zentralen Punkt möchte ich dir vehement widersprechen. Schon in der Steinzeit gehörte - natürlich! - die Angst zum Konglomerat aller menschlichen Emotionen. Sie half, vermeintliche Gefahren zu erkennen, um sich dann für eine situationsangemessene Reaktion zu entscheiden: Angriff oder Flucht. Nun begegnen wir heutzutage einem Säbelzahntiger eher selten. Die "Gefahren" unserer Zeit haben sich gewandelt, können aber durchaus mit den Bedrohlichkeiten der frühen Menschheitsgeschichte mithalten.
"Du brauchst keine Angst zu haben", ist ein häufiger Satz, den Kinder von ihren Eltern hören. Was für eine fatale Botschaft?! Jetzt, da ich das hier schreibe, fällt mir noch ein Leitsatz ein, den ich aus meiner Kindheit kenne: "Sei nicht traurig!" So hat Klein-Meiki schon in jungen Jahren "gelernt", nicht mehr über seine Gefühle zu sprechen. Angst, Trauer, "gehören sich nicht." Und auch meine Mama, in den Kriegsjahren sozialisiert, hat nie gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen. Mama weinte abends ab und zu. Und wenn ich zu ihr kam, um sie zu trösten, sagte sie: "Es ist nichts. Mama schwitzen nur die Augen."
Aber zurück zum Thema.
Was tun Menschen, um Ängste überwinden zu lernen? Sie konfrontieren sich mit dem, was ihre Angst auslöst. Angst hat die Macht, das Leben des Betroffenen komplett zu lähmen. Längst hat der Begriff "Phobie" also Angst in pathogener Form, einen sehr hohen Stellenwert in der Liste der psychischen Störungen erlangt. Der salutogene Umgang mit der Angst hat eine sehr hohe Priorität in unserer Zeit und das ist gut so!
Der Weg in die Rauch-Freiheit, der erste Schritt (mit dem bekanntlich jeder Weg beginnt) macht Angst. Und diese Angst hat ihre Daseinsberechtigung! Nicht, weil tatsächlich Bedrohliches wartet. Man bewegt sich auf ein unbekanntes Terrain. Wie kann denn ein Leben "nach der Zigarette" funktionieren? Das KANN doch gar nicht gehen, oder?
D o c h! !
Du, lieber Aki, und ich, und viele andere in dieser Community, wissen aus eigener Erfahrung, dass es geht. Und das, obwohl wir anfangs so ziemlich die Hosen gestrichen voll hatten, richtig? Es war der Beginn eines Lernprozesses, der vermutlich nie aufhören wird. Auch heute noch gerate ich gelegentlich in Situationen, die nicht ohne sind. Aber ich weiß aus meiner Biographie, dass eine Zigarette nichts verändern, oder verbessern könnte. Das unterscheidet uns z. B. von der Kleidermotte, die doch immer wieder gegen die Glühbirne fliegt, obwohl sie die Erfahrung gemacht hat, daß ihr das schadet.
Liebe Regina, ich möchte dich motivieren, deinem Leben eine neue Facette zu verleihen. Wie kann dein Leben als Nichtmehrraucherin aussehen? Welche Verbesserungen wären es, die du von deinem Rauchstopp erwartest? Schreib es auf, ergänze es, wann immer dir Neues dazu einfällt. Wenn du möchtest, begleite ich dich gerne auf dem Weg raus aus der Sucht. Auch die vielen "guten Geister" dieses Forums haben ihren unfassbar großen Erfahrungsschatz. Kraft, Mut, Entschlossenheit, eine gewisse Leidensbereitschaft, von alledem möchte ich dir eine gehörige Portion in deinen Rucksack tun. Es kann sehr hilfreich sein - auch davon bin ich überzeugt - nachzuspüren, warum es bisher noch nicht geklappt hat. Für noch wichtiger halte ich allerdings, vorauszuschauen und dir den Geschmack dessen, was du gewinnen kannst, auszumalen. Das lässt sich in einen Satz packen: "Der Rückspiegel im Auto ist nicht ohne Grund kleiner, als die Windschutzscheibe."
Beste Grüße
Meikel