Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort

Verfasst am: 03.05.2024, 17:26
AdrIAHane
AdrIAHane
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Wenn ich in den Spiegel schaue, wann weiß ich, dass oder ob ich es geschafft habe? Und was überhaupt geschafft? In irgendeinem Thread stand etwas davon, dass die Menschen im Schnitt 7 Versuche brauchen, bis "sie es geschafft haben". Demnach müsste ich statistisch gesehen noch fünfmal rückfällig werden.
Ab wann hat man es geschafft? Ich lese von Menschen, die nach 3,5 nach 7, nach 12 Jahren wieder angefangen haben zu rauchen. Die dachten bestimmt von sich, sie haben es geschafft. War aber nicht so.
Strenggenommen können wir erst in der Sterbeminute sagen, dass wir es geschafft haben ab Tag X nicht mehr geraucht zu haben für den Rest des Lebens.
Bis dahin können wir eigentlich nur in den Spiegel schauen und sehen und sagen: Ich habe es bis jetzt geschafft. Bis zu dieser Sekunde. Jenseits des Spiegels kann ich nicht blicken.

So gesehen hat es keiner/keine von uns, die aktuell hier schreiben wirklich geschafft im Sinne von Niemehr. Denn das müsste erst bewiesen werden.
Finde ich gerade frustrierend, dass ich niemals werde behaupten können, es geschafft zu haben. Außer eben in der Sterbesekunde. Aber ob ich dann daran denke?

Verfasst am: 03.05.2024, 19:09
pearle67
pearle67
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Liebe AdriHane,
du hast vollkommen Recht, das fühlt sich frustrierend an und irgendwie auch nicht fair, wenn wir bedenken wie viel Kraft der Rauchstopp kostet.
Trotzdem ist es richtig. Ich selbst bin seit fast sechs Jahren rauchfrei und habe akzeptiert, dass ich niemals eine Nichtraucherin sein werde, sondern immer nur eine ehemalige Raucherin.
Als wir damals aufhörten zu rauchen haben wir uns Frischluftatemrinnen und Frischluftatmer genannt, weil es positiv ist und die Sache genau trifft.
Also haben wir es geschafft, du ich wir alle, denn wir sind Frischluftatmer:innen und das ist ein sehr gutes Gefühl.
Mit ganz lieben Gruß Heike

Verfasst am: 03.05.2024, 20:54
rauchfrei-lotse-klaus
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Zitiert von: AdrIAHane

Wenn ich in den Spiegel schaue, wann weiß ich, dass oder ob ich es geschafft habe? ......
..... Jenseits des Spiegels kann ich nicht blicken.


Spannende Fragen die sich hier ergeben. Was sehen wir, wenn wir in einen Spiegel schauen? Angeblich ist es ein Zeichen von Intelligenz, das wir uns erkennen. Nur was erkennen wir da? Spieglein Spieglein an der Wand .....? Wir sehen im Spiegel nicht was wir sind. Wir sehen was wir sehen wollen. Das hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Vergleiche ein Foto mit deinem Spiegelbild.

Die Frage, was hinter dem Spiegel ist, kann derselbe nicht beantworten. Was davor ist schon.

Zitiert von: AdrIAHane

Strenggenommen können wir erst in der Sterbeminute sagen, dass wir es geschafft haben .....
Bis dahin können wir eigentlich nur in den Spiegel schauen und sehen und sagen: Ich habe es bis jetzt geschafft. Bis zu dieser Sekunde.


Strenggenommen können wir in jeder Lebenssekunde wissen, das wir es geschafft haben.

Herzlich
Klaus

Verfasst am: 04.05.2024, 15:19
rauchfrei-lotse-paul
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Zitiert von: AdrIAHane

Finde ich gerade frustrierend, dass ich niemals werde behaupten können, es geschafft zu haben. Außer eben in der Sterbesekunde. Aber ob ich dann daran denke?


Diese Erkenntnis halte ich nicht für frustrierend sondern sie akzeptiert unsere menschliche Schwäche und unser Päckchen welches wir zu tragen haben.

Nachdem 400 Tage rauchfrei erkrankte mein Mann schwer und ich war vollständig überlastet mit allem wofür ich plötzlich allein verantwortlich war. Ich habe dann tatsächlich wieder geraucht und zwar nicht weil ich einem alten Muster gefolgt bin, sondern weil ich mir wünschte es sollte wieder so sein wie vor zehn Jahren.

Es ist sehr wichtig, bei dem Durchhalten einer Veränderung, sich realistische Ziele zu setzten.
Bei mir war der Wunsch, behauten zu können es geschafft zu haben, auch vorhanden. Ich wollte nicht mehr daran denken müssen, ich wollte ein Nichtraucher sein. Ich habe mich hier aus dem Forum abgemeldet, weil ich der Meinung war, dass meine ständigen Gedanken ans Rauchen nur davon kamen, dass ich nicht loslassen konnte.
Für mich war das ein unrealistisches Ziel und mittlerweile halte ich es auch nicht mehr für erstrebenswert.

Nachdem ich in meinem Leben unzählige Versuche unternommen hatte etwas weniger zu rauchen (nur fünf am Tag; nur Abends; nur auf Partys; nur ...) habe ich mir eingestanden, dass das bei mir nicht funktionieren wird.
Es gibt kein zurück mehr.
(ich hatte heute etwas ähnliches im Novemberzug gepostet)

Für mich ist die Erinnerung ein Schutz vor einem Rückfall, gerade die Erkenntnis, dass ich nie mit Sicherheit sagen kann es für alle Zeiten geschafft zu haben, bewahrt mich davor meine Sucht im Laufe der Zeit zu verharmlosen.
Obwohl genau das ja einige denken könnten, da ich nie von meiner Sucht als Monster oder Teufel gesprochen habe.



LG von Paul

Verfasst am: 14.05.2024, 08:49
Soissesnuma
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Paul, der Graue ?
Paul, der Weiße ?
Paul, der Weise ?

...wird herzlichst gegrüßt und bedankt von Birgit Großherz ........

Hmmm....ich denke nicht, dass ich die Assoziation mit dem Leuchturm und den Motten im Kopf hatte, als ich das Profilbild eingestellt habe.
Ich bin vor vielen Jahren in einer psychosomatischen Reha gewesen und zum Abschied in der "Gruppe" bekam man ein mentales Geschenk, einen guten Wunsch.
Eine der Teilnehmerinnen wünschte mir einen Leuchtturm, dessen Licht ist immer an, mal nah, mal weit weg, aber immer da !!
Dieser Leuchtturm hat mir geholfen , einzuschätzen, wie es mir gerade geht. Tatsächlich war er mal nah zu sehen, aber ein anderes Mal auch nur noch ein kleiner Punkt am Horizont in meiner Fantasie, aber er war immer da !!!!! Sehr, sehr tröstlich, Hoffnung pur !!!

Ich bin NICHT der Leuchtturm, um den sich alle Motten drehen, das hast du doch nicht gemeint, oder ?????

Danke dir, lieber Paul, für die Gratulation und das nächste mal reih dich doch einfach ein in die Polonaise...

Sehr liebe Grüße,
Birgit

Verfasst am: 17.05.2024, 15:06
Doro17
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Hallo Paul und hallo liebe Community,

lange hats gedauert, bis ich mich auch hier im Forum außerhalb der gewohnten Pfade in den einen oder anderen Thread noch einlese. Und jetzt erst fällt es mir „wie Schuppen von den Augen“ na klar doch, das ist also auf Paulus Schreiben bezogen.
So eine schöne, so eine tiefe Bibelstelle.

Clemens von Alexandria schreibt dazu: Wir erkennen uns selbst durch Reflexion, wie in einem Spiegel. Wir betrachten, soweit wir können, die schöpferische Ursache auf der Grundlage des göttlichen Elements in uns.

Hier an der Stelle des – soweit wir können- sehe ich die Parallele zu Deinem Gedanken, Paul.
Ich will. Ich kann.
Und dann ist es kein toter Spiegel, sondern nur Gleichnis für einen Prozess in dem wir uns weiterentwickeln können, sich finden, sich neu finden, ohne Suchtmittel, einfach so- wie-es-eben-ist.
Der gläubige Mensch könnte es ausdrücken: so wie Gott mich gemeint hat.
Nun geht nicht jeder davon aus das es diese eine Wahrheit gibt, aber jeder von uns hat ein Empfinden dafür wie es sich richtig und gut anfühlt.

Wenn ich mich selbst regelmäßig im Spiegel ansehe, erkenne ich minimale Veränderungen. Wenn ich mich nach einigen Tagen rauchfrei ansehe, erkenne ich eine lebendigere Ausstrahlung. Und das verstärkt mein- ich will.
Vielleicht ist aber auch gar nicht der Spiegel Mittelpunkt und Ausgangspunkt des Prozesses sondern ein Ort in mir. In Dir ?

Grüße
Und einen schönen Freitag wünscht
Doro