Ein Tagebuch

Verfasst am: 02.04.2024, 11:09
rauchfrei-lotse-klaus
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Tag 231 Dienstag
Heute sind es 33 Wochen ohne Tabak!

5775 Kippen nicht geraucht.
35.000 Worte geschrieben.
Weniger nicht geraucht als Worte geschrieben.

Ein paar Tage ohne Forum.
Alles was mit Rauchen zu tun hat kann ich dort abladen.
Meine Freunde brauche ich damit nicht belasten.
Klar, die freuen sich, das ich nicht mehr rauche.
Aber die freuen sich eben nicht jede Woche von vorne.
Hier freuen sich alle jeden Tag von vorne.
DoppelMoppelJubelZahlen gibt es oft.

Tag 230 Montag
Was ist Glück?

2 Tage Dauerregen.
Ich habe ein kleines Kämmerchen in einer alten Mühle gemietet.
Wenn ich auf der Veranda stehe sehe ich die Karawanken steil aufsteigen.
Die Berggipfel verschwinden in tiefhängenden Wolken.
Endlich, am dritten Tag hört der Regen auf.
Ich packe meinen Rucksack und nach Sonnenaufgang geht es los.
Auf dem Schild steht der Name der nächsten Berghütte
und ein Hinweis: 3.5 h

Alles duftet und der Wald atmet in frischen Farben.
Ich marschiere los.
Nach 4 Stunden denke ich
OK und wo ist nun die Hütte?

Ich sehe gar nichts. Ich stecke in einer Wolke.
Es gibt keine Bäume mehr.
Aber einen Weg kann ich erkennen.
Es ist steil. Sehr steil.

Mir geht die Puste aus.
Ich setze mich auf einen Stein.
Die Füße schmerzen,
die Schuhe drücken ein wenig.
Diese Scheiß Schuhe.
Extra neue Wanderschuhe gekauft.
Aus Leder!

Was richtig Gutes sagte der Verkäufer.
Hat mir gleich Pferdefett verkauft.
Sauschwer die Dinger.
Sauteuer auch!
Die ziehen an meinen Füßen
und drücken mich gnadenlos
dem Erdkern entgegen.

Mir ist heiß. Die Beine sind mir schwer.
Ich zerre an den Gurten des Rucksacks herum.
Ich habe Durst und Hunger.
Wo ist diese Scheiß Hütte.
Ich bin doch schon ewig unterwegs.
Weiter Weiter!
Ich kann nicht mehr.
Immer höher und immer steiler.
Ich krabbele auf allen Vieren.
Ich schaffe es nicht.
Plötzlich reißt es die Wolke weg.
Die Sonne scheint.
Unter mir ein Watte Teppich.
WoW, sieht das schön aus!
Vor mir die Berghütte.

Die letzten 300 Meter wieder auf zwei Beinen,
Dann endlich den Rucksack abstellen
Ich bin fix und fertig.
Auf der Bank sitzen.
Ein wohliges Gefühl strömt durch meinen Körper.
Das ist Glück.

Ich sitze am Tisch, öffne die Zigaretten Packung
Ich nehme eine heraus und betrachte sie
Das Feuerzeug zappt, die Flamme steht
Ich zünde die Zigarette an.
usw. usw.
Ist das Glück?

Tag 229 Sonntag
Leben ohne Stützräder

Das Forum ist eine Stütze.
Es tut gut zu wissen, das man nicht alleine leidet.
Das es andere gibt, denen es ganz ähnlich geht.

Es schmerzt das so viele rückfällig werden.
Wie viele weiß man nicht genau, weil manche einfach so verschwinden.
Dann wieder tauchen welche auf, die monatelang verschollen waren.
Das klingt dann so:
“Ja, hallo.... es gibt mich noch.
Ich lese hier mit und rauche nicht mehr.“


Ganz sicher ist aber,
das sich hier alle über Lob und Wertschätzung freuen.
Scham ist ein großes Thema.
Scham, der bis zur Selbstzerstörung heranwächst.
Aber auch das wird hier abgebaut.

Hier gibt es keine Klassen.
Alle sind verdammt süchtig.
Alle sind gleich.

Das ist vermutlich der Grund, warum das Forum so hilfreich ist.
Die Menschen sind gerne hier.
Sie fühlen sich wohl.
Es ist ein Bad des Wohlbefindens
und der Selbst Erkenntnis.

Es gibt hin und wieder einen Troll.
Ein bisschen wie ein verwirrter Mensch, der durch die Stadt strolcht.
Er redet mit sich selber und pöbelt etwas herum.

Wir wissen nicht warum und was der Mensch uns mitteilen möchte.
Der Troll ist wahrscheinlich einsam und fühlt sich nicht geliebt.
Da sind wir überfordert. Da müssen Profis ran, denken wir schnell.
Die kommen dann auch. Schnell wird eine Blockade errichtet.
Wer beleidigt oder pöbelt fliegt raus.

Fast 8 Monate begleitet mich dieses Forum.
Kommunikation und Selbst Erkenntnis.

Mit einer Suchtkrankheit leben klingt einfacher als es ist.
Viele Selbstverständlichkeiten in meinem Leben
sind mit dem Konsum von Tabak verbunden.
Diese kommen nun nach und nach auf den Prüfstand.

Am schlimmsten und natürlich auch am schönsten
sind die kontemplativen Momente
morgens und abends.

Diese Momente nur für mich.
Ganz alleine .... Ruhe .... zurücklehnen
Die gibts ja immer noch.
Morgens wach werden .... ins Bad ...
und dann Zigaretten.
2 bis 3 Stück waren das immer.
Dann Frühstück!
Danach Kaffee und Kringel.
Und wieder Zigaretten.

Wenn ich Zigaretten schreibe wundere ich mich.
Ich könnte ja auch Dreckszeug schreiben.
Ich nenne es jetzt oft Dreckszeug.

Ich schreibe aber Zigaretten.
Weil ich dieses Dreckszeug so geliebt habe!

Tagsüber..... jaja tagsüber ...
alle 45 Minuten ...
ach du Schreck!

Ich habe es sehr geliebt.
Haha ....
verliebt in Dreckszeug.

Abends 2 Bier .... dazu dann ....Dreckszeug
Seit Corona zu Hause.

Vorher in Waldemars Kneipe.
Alle nannten ihn Waldi.
Nun ist der arme Kerl verstorben.
Und seine völlig verqualmte und
hoffnungslos verstunkene Kneipe ist geschlossen.
Verstunken klingt hart, trifft es aber.

Das lag an den vielen Hunden dort.
Naja, da fängt einer an, hebt das Bein
und dann gibts kein Halten mehr.

Jeden Winter immer das Gleiche.
Die Heizung war immer kaputt.
In der Ecke standen zwei Gasbrenner.
Die Luft war gar nicht gut da drin.

Fast alle rauchten wie verrückt.
Wenn man reinkam .... phhuuhh .... krass Mann!
OK.... nach ein paar Minuten war man drin.
Einige hielten die Tür auf damit etwas Sauerstoff hinein kam.
Nach 2 Minuten ging das Geschrei los.
“Tür zu..... ist kalt hier”.

Jeden Abend stanken meine Klamotten.
Haare und Haut stanken auch.
Aber die Kneipe hatte Charme.
Soviel Charme, das sogar Nichtraucher
zu den Stammgästen zählten.
Waldemar rauchte nicht.

Also dann die zwei Bier zu Hause,
und natürlich Zigaretten dazu.
Irgendwann hatte ich mal einen Alkie Test gemacht.
Wegen T.
T. trank zu viel, ich wollte wissen wo ich stehe.
30 Fragen - Single Choice
Riskanter Konsum kam dabei heraus.

Vor lauter Schreck habe ich gleich noch ein paar andere Tests gemacht.
Immer das selbe Ergebnis.
Scheiße .... dachte ich.
Riskant ....wieso das denn?
Ich saufe doch nicht.
Die 2 Bier jeden Abend.
Neee .... Risiko?
Oder?

Seit dem Rauchstopp schmeckt mir Bier nicht mehr.
Bin jetzt umgestiegen.
Alkfreies Bier und keine Zigaretten.
Geht auch.

Wieder abgeschwiffen.
Leben ohne Forum war das Thema.
Nur für eine Zeit, nicht für immer.

Ich bin ja gar nicht weg.
Eine Pause, um nachzuschauen.
Nachschauen ob mir die Hände zittern.
Ob ich nachts schlafen kann.
Ob meine Laune in den Keller geht.
Ob ich mich in Depressionen wälze.
Wenn ich nicht hier bin.

Wer weiß schon wie die Süchte sich winden.
Vielleicht renne ich sofort in den nächsten Späti
und kaufe eine Stange Zigaretten.
Oder ich kaufe 3 Flaschen Nica Rum.

Bisher ist alles okay.
Mir geht es gut.
Es fühlt sich alles richtig an.

Zum Glück ist das hier ein Tagebuch.
Ein sehr geduldiges Buch.
Schöne Grüße aus der Diaspora.

Verfasst am: 02.04.2024, 12:19
rauchfrei-lotse-paul
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Hallo lieber Klaus,

bist Du wirklich in den Karawanken? Ich bin gerade zwei Wochen in der Nähe von Villach gewesen, da hätten wir uns ja noch zur Brotzeit treffen können.

Ich kenne viele, die sich in der Umgebung hoher Berge eingeengt fühlen aber für mich ist es eine der schönsten Regionen, die ich kenne.

Ich wünsche dir eine wunderbare Zeit dort.
Ich bin jedes Jahr im späten Winter da und es ist immer ein Innehalten, eine Entschleunigung, die ich sehr genieße.

Und ohne diese Raucherei sind diese Momente einfach viel stimmiger;
Wie absurd es doch war eine Bergwanderung zu machen, die Natur zu genießen und sich am Ziel mit einer Zigarette zu belohnen, als ob nur ein bestimmtes Maß an Natürlichkeit auszuhalten wäre.

Sei ganz bei dir.
LG von Paul

Verfasst am: 02.04.2024, 13:46
Sternchen Speedy
Sternchen Speedy
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Lieber, lieber Klaus.

Wie schön dich hier wieder zu lesen.

Du kommst mir immer näher - mein Interesse immer größer. Ich bin sehr froh, dass du wieder zurück bist und unser Leben wieder bereicherst,

Mit dir ist das Leben mit der Sucht ein kleines bisschen einfacher geworden.

Eva

Verfasst am: 02.04.2024, 17:09
KippeMachtNixBesser1
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Hi Lieber Klaus,

Es ist schön, dass du vorbei schaust

Ich hoffe dir geht es gut und wünsche dir weiterhin alles Liebe und Gute :-)

Viele liebe Grüße

Verfasst am: 02.04.2024, 17:35
Jemilili
Jemilili
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Ganz sicher ist aber,
das sich hier alle über Lob und Wertschätzung freuen.
Scham ist ein großes Thema.
Scham, der bis zur Selbstzerstörung heranwächst.
Aber auch das wird hier abgebaut.

Hier gibt es keine Klassen.
Alle sind verdammt süchtig.
Alle sind gleich.

Diesmal werde ich dieses Zitat von dir auch nochmal in meinem wohnzimmer posten. Besser als jeder Therapeut es hätte sagen können. Und Augenlffnrnd, denn genau dazu neige ich… habe dann einfach damals weiter geraucht. 10 Jahre ca.
Es verdrängt. Und gestern geweint deswegen, s as la ich den Bericht sah: die Schäden in der Lubge sind oft irreparabel…
Und mir so gewünscht, ich hätte 10 Jahre vorher aufgehört.
Danke, Klaus. Immer wieder nur danke!

Verfasst am: 02.04.2024, 19:38
Unbekannt
Entfernter Beitrag von gelöschtem Nutzer oder Nutzerin
Verfasst am: 03.04.2024, 17:55
rauchfrei-lotse-klaus
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Tag 232 Mittwoch
Motivation

Wenn ich darüber nachdenke, warum ich nicht mehr rauchen will
fällt mir zuerst die Freiheit ein.

Ich war ein Sklave der Zigarette.

Stinky der Sklaven Aufseher war kurioser weise auch ich.
Verrückt, wenn ich mir das so ansehe.

Mein Sucht-Ich hatte ich mal Stinky genannt.
Ein recht freundlicher Name für einen derart destruktiven Geist.
Also Stinky wachte immer darüber, das Zigaretten auf meinem Schreibtisch lagen.
Feuerzeuge, Aschenbecher, Taschen Aschenbecher, Zigaretten Etui alles immer griffbereit.

Die Freiheit als größte Motivation.
Im Namen der Freiheit wurden schon viele Kriege geführt,
Jetzt eben dieser hier. Befreiung von der Rauch Diktatur.
Rauch Demokratie ist das Maximum an Toleranz.
Nieder mit der Sucht ist der Schlachtruf!

Geld - Gesundheit - Anti Stink sind auch gute Gründe
Aber FREIHEIT ist für mich das Wichtigste

Stinky mag das gar nicht

Er attackiert mich wo er nur kann
Unter uns gesagt ..... er nervt total.

Das hört er nicht gerne, weil er allmählich die Kontrolle verliert.
Er war den Großteil meines Lebens in der Chef Etage ganz oben
Jetzt hat Stinky nur noch eine Stimme und wird immer überstimmt

Stinky bekommt jetzt ab und zu ein Pistazien Croissant.
Er nervt schon etwas weniger.

Am Ende muss ich mit mir selber Frieden schließen.
Aber es ist wie im wirklichen Leben
Der Weg zum Frieden ist mit langen Verhandlungen gepflastert

Verfasst am: 03.04.2024, 18:18
JohannaStein
JohannaStein
Dabei seit: 22. 03. 2024
Rauchfrei seit: 47 Tagen
Beiträge: 133 Beiträge

@Klaus
Das ist ein total schöner Text, der Spaß macht.
"Jetzt bekommt Stinky ab und zu ein Pistaziencroissant" - herrlich!!
Irgendwann kommt vielleicht der Tag, an dem wir uns an "Stinky" nur noch als Anekdote erinnern, weil die Sucht kein Wchtigkeit mehr hat und auch nicht mehr erzählt werden will.
Das ist dann die ganz große Freiheit.
Schöne Aussichten, also.

Liebe Grüße
Johanna

Verfasst am: 03.04.2024, 18:53
AliFeli2024
AliFeli2024
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Beiträge: 129 Beiträge

Hallo Klaus,
ich besuche dich mal bei dir
Schön, dass du dich wieder blicken lässt. Musste die Tage an dich denken, denn ich war an der Ostsee. Um es genau zu sagen, in Kolberg War sehr schön. Aber alles Schöne hat ein Ende! Ist es auch nicht so mit dem Rauchen? Das schöne ist das Ende?
Lg Alina

Verfasst am: 03.04.2024, 21:30
Soissesnuma
Soissesnuma
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Hallo Klaus!
Schön, von dir zu lesen und deinen Rauchfreizähler zu betrachten . Ein palim, palin zu 232 Tagen ohne Nikotin......sagt dir die Birgit aus der Clique mit griechischem Lokal, mit Pool und Heißluftballon...
Ach ja , wir Schnapsdrosseln zwitschern uns bei jeder Schnapszahl einen....eine illustre Gesellschaft
Ich hätte nicht vermutet, dass man das Forum so auslegen kann, aber die Anfänge sind echt schwer, da kann was durcheinander geraten.
Heute weißt du, dass es Wertschätzung war...und ist!

Ach ja, hast du mal versucht, Stinky im smokeland abzugeben? Meine Stinkabelle schmollt da schon eine Weile vor sich hin.......

Wie auch immer: schlaf wohl , süße (Pistazien)träume!
Birgit