Hallo Paul,
ja ich habe sehr gut verstanden, was Du fragen möchtest. Und ich finde es super, daß Du es machst! Denn selbst, wenn ich tatsächlich stets um präzise Formulierungen bemüht bin (vielen Dank für die Anerkennung!), kann es natürlich auch mir mal passieren, daß ich mich mißverständlich ausdrücke. Solche Rückfragen geben mir die Chance, mich zu erklären und zu konkretisieren. Natürlich erkläre ich Dir sehr gerne meine Beweggründe.
Du hast schon sehr schön mitgedacht, die Abwägung zwischen der self-fulfilling prophecy und dem Anspruch auf Warnung ist sicherlich nicht unwichtig. Da hast Du schon recht. Meine Erfahrung und die aller, die sich schon länger mit Rauchausstiegen und Entwöhnungen auseinandersetzen, ist indes die, daß kein Entzug dem anderen gleicht. Deshalb kann ich schon mal nicht schreiben
[quote="Paul2.1."]
" nach 3 Wochen mußt Du mit einem Tief rechnen?"
[/quote]
, denn mit irgendwas rechnen _muß_ überhaupt keiner. Es ist nicht prognostizierbar, in welche Richtung sich eine Entwöhnung entwickelt. In meinen Augen würde ich nur noch mehr Unsicherheit verbreiten, wenn ich jemandem, der sich nicht sicher ist, ob es gut läuft, auf die Zukunft Schwierigkeiten prophezeien würde. Es muß tatsächlich nicht sein, daß ein Aufhörer im Laufe seiner Entwöhnung auf massive Widerstände stößt. Die Erfahrung habe ich im übrigen selber mit einem meiner Entzüge gemacht. Beim ersten Mal habe ich absolut streßfrei aufgehört (und es elf Jahre lang geschafft, also erfolgreich). Da gab es weder Entzugserscheinungen noch Krisen. (Mein Rückfall nach so langer Zeit war einfach ein blöder Reinfall auf einen Trugschluß, das hatte nichts mehr mit der Entwöhnung zu tun.) Natürlich ist das vielleicht der kleinere Prozentsatz, aber den gibt es. Auch hier gab es diesen schon.
Genauso ist es möglich, daß Aufhörer zwar erleben, daß es zu Zeiten etwas schwieriger ist, dranzubleiben, aber keiner Krise gleicht. Daß sie merken, aha da muckt die Sucht auf, aber es ist auszuhalten. Da gibt es so viele Nuancen zwischen gar keine Beschwerden und Krise, da kann ich keine seriöse Prognose treffen. Und möchte mit Sicherheit keine möglicherweise völlig unbegründete Panik verbreiten.
Viele Aufhörer haben ja auch schon einige Ausstiege hinter sich. Ihnen muß ich also gar nicht erzählen, auf was für Krisen sie treffen können, weil sie die schon durch haben. So weit ich mich entsinne, ist die Aufhörerin, auf die Du Dich beziehst, auch schon erfahren und kennt die Widrigkeiten des Entzugs. An solchen Stellen ist es mir persönlich wichtiger, darauf hinzuweisen, daß es ja auch glatt laufen kann. Daß auch mal irgendwann der Entzug auftreten kann, der erfolgreich ist, weil eben nicht so heikel. Daß es auch mal gut gehen kann, weil diese Krisen nicht zwingend auftreten müssen. Will heißen, ich mache mir schon auch Gedanken, wem ich was wann schreibe. Welcher Aspekt von Warnbedarf oder self-fulfilling prophecy hier individuell im Vordergrund steht.
Ich habe ja in dem von Dir aufgegriffenen Post auch geschrieben, wenn doch irgendwelche Widerstände auftreten, möge die Aufhörerin jederzeit hier davon berichten, denn dann kann man immer noch situativ reagieren. Ihr Ablenkungsmanöver, Erleichterungen, Denkanstöße anbieten. Es macht aus meiner Sicht mehr Sinn, der ganzen Entwöhnung entspannt gegenüber zu stehen und sich erst über tatsächlich auftretenden Gegenwinde Gedanken zu machen. Denn bereits unentspannt auszusteigen, mit einem Auge auf den Entzugserscheinungen, die auftreten mögen, selbst wenn diese noch gar nicht da sind, macht den Ausstieg noch schwieriger, gestaltet ihn druckvoller. Und was haben wir früher unter Druck gemacht? Na selbstverständlich, geraucht. Am Ende triggert man da noch Rauchverlangen... dann sei lieber erst einmal für Entspannung gesorgt und für die Fähigkeit, den Entzug so zu nehmen, wie er momentan ist. Zumal - wie wiederholt erwähnt - es ja gar nicht zu einer Krise nach einer bestimmten Zeit kommen muß.
Gerade am Anfang eines Entzuges, und gerade dann, wenn ein Aufhörer sich noch nicht so ganz sicher ist, was das werden soll, ist es aus meiner also Sicht sinnvoller, da Druck, Anspannung, Unsicherheit rauszunehmen. Den Entzug im Moment so mitnehmen, wie er ist, sich keine schweren Gedanken über Eier machen, die vielleicht gar nie gelegt werden.
Ich hoffe, dieses Mal konnte ich mich verständlich ausdrücken? Konnte ich Deine Rückfrage beantworten? Ich freu mich immer über den reflektierten Umgang von Mitstreitern mit Inhalten, sei es denen aller anderen, die hier mitdiskutieren, oder den meinen. Ich wünsche Dir eine schöne Restwoche, wir lesen voneinander! Viele Grüße sendet Dir
Lydia