Ich betrachte ja diese Wohnzimmer so ein wenig wie ein Tagebuch. So kann ich später einmal drüber blicken wie es mir ergangen ist.
Letzte Woche war die beste seit meinem Rauchstopp. Ich habe gut geschlafen, keinerlei Attacken gehabt und war relativ ausgeglichen. Bis dahin hatte ich ja immer mal wieder morgens oder abends ein Nikotinersatzlutschbonbon zu mir genommen und vor dem zu Bett gehen vorsichtshalber ein Passionsblumendragee eingeworfen. Markennamen dürfen ja hier nicht genannt werden. So weit geht die Hilfe dann doch nicht, dass auch benannt werden darf was hilft.
Aber letzte Woche habe ich nichts von dem genommen und fühlte mich, bis auf ein manchmal leichtes Druckgefühl in der Magengegend sehr gut. Dieses flaue Gefühl in der Magengegend kann aber auch von einer Verkrampfung des Zwerchfells kommen. Eine relativ normale Reaktion des Körpers bei Stress und diesen habe ich auf Arbeit mehr denn je. Da zahlt sich mein kleines Gedankentraining aus, dass ich seit ein paar Wochen immer wieder spiele. Ich lasse keine Gedanken an Arbeit nach Feierabend mehr zu, sperre sie aus meinem Kopf aus. Ich will keinen Gedanken an Arbeit mehr mit heimnehmen, dass ist meine Zeit, meine Freizeit.
So fühlte ich mich auch am Karfreitag sehr gut. Ein paar freie Tage in Aussicht und das Wetter soll ja dann auch besser werden.
Am Samstag hatte ich mir Osterspaziergang für Männer vorgenommen, habe ich doch seit Kurzem den größten Baumarkt der Region fast vor der Haustür. Ein wenig Angebots- und Preisvergleich, Balsam für die Heimwerkerseele.
Der Ostersonntag sollte dann das Highlight werden, Sonne pur und abends sitzen am Feuerkorb mit Bekannten und Verwandten und der ersten gegrillten Bratwurst in diesem Jahr.
Jedes Jahr im Frühjahr fiebere ich dem Tag entgegen, an dem ich meinen Morgenkaffee in der Frühlingssonne sitzend genießen kann. Dann war es soweit, die Sonne schien, die Temperaturen waren erträglich ich nahm meinen Kaffee ………
…und dachte:“Mhhh ja toll, was soll ich meinen Kaffee draußen trinken, was macht das für einen Sinn, wenn ich keine dazu rauchen kann. Frust! … und keine gute Idee diese Gedanken aufkommen zu lassen!
Ich nahm dann meinen Kaffee und ging trotzdem raus. Normalerweise hätte ich dann schon mal vorsichtig wenigstens einen Arm oder ein Bein textilfrei in die herrlich wärmende Frühlingssonne gehalten. Ich hatte allerdings meine dicke Holzfäller-Felljacke an und fröstelte.
Im nächsten Moment durchzog mich ein krampfartiges Gefühl und ich begann aus allen Poren zu schwitzen, was wiederum das Frösteln noch mehr verstärkte. Es ging einfach nicht und ich zog mich in die Wohnung zurück. Das Hirn spielte mir einen verdammt üblen Streich und wollte den Zusammenhang zwischen Frühling, draußen und rauchen einfach nicht aufgeben. Ich war derart fertig, dass ich mir auf der Couch die Decke über den Kopf ziehen wollte. Aber auch da war ich im Zusammenspiel zwischen schwitzen und frösteln gefangen, was sich bis hin zu leichtem Schüttelfrost verstärkte.
Ich war völlig fertig, stand im Wohnzimmer und wusste nicht wohin. Wenn man Kopfschmerzen hat, nimmt man eine Schmerztablette. Doch was macht man in so einem Moment? Ich stand total neben mir und wusste nicht wie es weitergehen sollte. Mein krankhaft besessenes Raucherhirn hatte den Körper besiegt.
Ich weiß auch nicht ob diese Symptome Post-Covid-Ursprung, Wechseljahres bedingt oder wirklich durch den verfluchten Rauchteufel herrührten. In meiner Not habe ich zu Nikotinersatz und Passionsblume gegriffen und es wurde innerhalb der nächsten halben Stunde erträglicher. Ich war rein körperlich so geschwächt und im Kopf derart zermürbt, dass ich mich erst einmal ein Stündchen hinlegen musste.
Den Abend konnte ich zwar noch geschwächt, aber trotzdem ganz gut genießen.
Aber ist es nicht erschreckend, wie Verknüpfungen im Kopf mich noch nach vier Monaten Abstinenz derart aus den Schuhen hauen können?
Ich hatte eigentlich gedacht das schlimmste hinter mich gebracht zu haben, was lauert da noch?
Schöne Rest-Ostern euch allen und
liebe Grüße vom Havelskipper
Ronald