Guten Abend Susanne,
wie auf meinem Thread versprochen besuche ich Dich. Dort schreibst Du
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und würde mich gern näher über die Frage austauschen, was es mit einem macht, wenn die Gefühle blockiert sind und man sich selbst im Weg steht. Das Bewusstsein ist ja nur der Gipfel des Bergs, der aus dem Wasser ragt, und das Unbewusste ist die breite Masse unter der Oberfläche. Wie kriegen wir den Übergang fließend hin, so dass sich beides gegenseitig bereichert und befruchtet?
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Ich würde sagen, Dein Bild verwendend, mit dem Rauchstopp sinkt der Wasserpegel. Das Bewußtsein, der Teil oberhalb des Wasserspiegels, wird größer und erstreckt sich dann auch mit auf die Gefühle, den Unterbau des Eisberges. Ich weiß nicht, ob man den Übergang fließend hinkriegen kann, zumindest diese Bewußtseinsveränderung geht bei den meisten Aufhörern eher holprig vonstatten. Ich glaube jedoch, das müssen wir uns zugestehen, wir müssen uns schließlich erst rauchfrei erfahren. Mit der Erfahrung können wir dann auch einschätzen, welchen Gefühlen wir Ausdruck verleihen und welche wir besser bei uns behalten sollten. Und irgendwann kann man das auch, man wächst schließlich an seinen Aufgaben. Im Weg stehen wir uns dennoch höchstens vorübergehend.
[quote="SusanneK"]
Mit dem Rauchen aufhören gewinne ich mehr Stolz, mehr Ehrlichkeit gegenüber mir selbst, mehr Konsequenz.
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Ja. Das kann ich für mich so bestätigen. Und noch eins: mehr Mut.
[quote="SusanneK"]
Aber darüber hinaus? Was, wenn ich eine Berufsarbeit machen muss, die meine Kreativität lähmt? Oder wenn ich meine Bücher, die doch gut sind, irgendwie nicht rüberbringen kann, weil da ein Widerspruch ist zwischen meinem Schreiben und meiner Außenrepräsentanz? Genau dann "fließt" es ja nicht. Ich weiß, das Rauchenaufhören ist ein Anfang, dann kommt aus der Tiefe Weiteres hervor, und die Bewältigung der Lebensfragen fängt eigentlich erst an.
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Keine Berufsarbeit kann Deine Kreativität so lahmlegen, wie es das Rauchen konnte, das Deine Gedanken, Deine Aufmerksamkeit wegzieht. Im Gegenteil, die Sucht mag Dir sogar vermittelt haben, daß es Situationen gibt, in denen Deine Kreativität brachliegt und Du diesen Zustand nur mit einer Zigarette beheben kannst, daß Dir diese bei der Kreativität hilft. Das ist aber ein Trugschluß, die Sucht legte Deine Kreativität lahm, weil sie Futter wollte. Dazu war ihr jedes Mittel recht, und wenn sie eine Berufsarbeit vorschob.
Was die Diskrepanz zwischen Deinem Werk und Deiner Außenrepräsentanz angeht - vor diesem Problem stand ich vor etwa dreizehn, vierzehn Jahren nach meinem ersten Rauchausstieg auch einmal. Ich war mit einer kreativen Ausbildung beschäftigt und sollte - ausgerechnet! - einen Text über das Rauchen verfassen (ich bin allerdings keine Autorin oder Schriftstellerin). Habe ich damals auch nicht wirklich gut hinbekommen. Heute würde ich, wenn ich eine solche Diskrepanz spüre, versuchen, meine eigene Überzeugung, Lebensweise und (erhoffte) Wirkung in das genaue Gegenteil zu verkehren, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Was frühere Werke angeht, selbst wenn die Diskrepanz also erst aufgetreten ist, so kannst Du Dir selbst gegenüber argumentieren, daß die Diskrepanz zum Zeitpunkt der Erstellung ja nicht da war, sondern infolge der Veränderung der Lebensumstände erst aufgetreten ist. Das war für Dich zum Zeitpunkt des Schreibens natürlich noch nicht absehbar. Jedes Leben erfährt Änderungen, Werte, Ansichten, Umstände können sich ändern. Nur bei Dir ist diese Änderung durch Deine Bücher dokumentiert. Die sind aber ein Teil Deiner Geschichte, also selbst wenn sich Deine Anschauung inzwischen geändert hat, kannst Du sie sicherlich immer noch rüberbringen, da sie ein Teil Deiner Geschichte und Dein geistiges Eigentum sind. Ich glaube nicht, daß Du Dir darüber Gedanken machen mußt. Den Fluß sehe ich nicht gestört.
Das sind meine Gedanken auf Deine Reflexionen, ohne Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit, aber das ist mir dazu eingefallen... Aber danke für die Impulse, war interessant für mich mir diese Gedanken zu machen. Viele Grüße,
Lydia