[b]Sonntag, 31.12.2023 - Tag 26
Zerrspiegel - heute schau ich mal in die "Fratze meiner Nikotinsucht?"
ICD-10, Suchterkankungen[/b]
Eine [b]Abhängigkeit[/b] besteht bzw. ist stark anzunehmen, wenn [b]mindestens drei der folgenden Kriterien[/b] zutreffen:
[b](1) Starker Konsumdrang[/b]
In Meetings wurde ich spätestens nach einer Stunde konzentriertem Arbeiten hibbelig … wann machen wir endlich eine Pause … damit ich raaauuuuchen kann! Und wie jeder andere Raucher auch: wenn ich nicht rauchen konnte (z.B. im Supermarkt, im Restaurant, etc. etc.) war der erste Griff bei Verlassen des Etablissements der zur Zigarette.
Allerdings habe ich zwei Dinge während meiner hochsüchtigen Phase bereits verstanden:
(A) Dass ich keinerlei Bedürfnis nach Nikotin hatte, wenn mich etwas wirklich wirklich interessierte = abgelenkt war
(B) Ich soviel Angst vor dem kurzfristigen Entzug hatte, dass ich "Vor-rauchte". Ich saß z.B. viel im Auto und immer, wenn ich wusste, ich hab jetzt noch 10 km bis zur Firma, hab ich mir noch schnell "eine angesteckt", obwohl ich gerade eine ausgemacht hatte ... ich konnte ja nicht mehr im Büro rauchen (wurde Anfang 2000 abgeschafft), also musste "Vorgeraucht" werden, um dieses "gefühlte Drama erstmal kein Helferlein zu haben" zu überstehen.
[b](2) Kontrollverlust über Zeitpunkt, Menge usw.[/b]
Ich bin teilweise nachts aufgewacht, weil ich vor beruflicher Anspannung und damit einhergehender Gier auf eine Zigarette nicht mehr durchschlafen konnte. Und ich bin morgens direkt mit Schmacht erwacht ... mir ging es körperlich/psychisch so dreckig, dass ich wusste: Erstmal eine Rauchen (mit Kaffee, sonst hält man den ätzenden Geschmack der Zigarette ja nicht aus).
[b](3) Toleranzentwicklung, d.h. mit der Zeit steigende Dosis[/b]
In meinen „besten Zeiten“ konnte es passieren, dass ich mir eine anzünden wollte, obwohl ich schon rauchte. Dem ist - so finde ich - nix hinzuzufügen!
[b](4) Körperliche Entzugssymptome[/b]
Bei meinen einigen Rauchstopp-Versuchen hatte ich starke und vielfältige Entzugssymptome – z.B. ein beklemmendes Gefühl hinter dem Brustbein (nein kein Herzinfarkt), welches ich immer bekomme, sobald ich mich psychisch überlaste. Es ist ein Zeichen für "Stopp Micha, du musst dir Ruhe gönnen!"
Mit den zum Glück sehr milden körperlichen Symptomen des Nikotinentzuges hatte das jedoch nichts zu tun. Das körperliche Entzugssymptome zum Glück bei Nikotin kaum vorhanden sind, ist mir erst seit kurzem vollkommen klar. Ich dachte damals jedoch immer, ich bin "Megasüchtig" und spüre den Entzug - im Gegensatz zu anderen - wirklich körperlich.
[b](5) Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums[/b]
Wenn man den vielen Sport, den ich früher gemacht habe, dazu zählt: den hatte ich Jahrzehnte lang komplett eingestellt (keine Zeit und auch keine Lust, sich keuchend zu bewegen).
[b](6) Anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen.[/b]
Ich wusste, dass ich körperlich Schäden davon tragen würde … nur, dass man sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht „sieht“ - ich bin ja "vom Fach".
Was ich jedoch bereits vorher wahrnahm, waren die psychischen Schäden ... die oben genannten Symptome der Sucht .... dass ich alles andere als frei war und ich zum Schluss - nach gescheiterten Rauchstopps - sogar heimlich rauchte.
Außerdem war mir klar, dass ich mich für all das aus tiefsten Herzen verachtete: eine intelligente, erfolgreiche Frau, die sich selbst zu Grunde richtet, stinkt, sich nicht im Griff hat, gelbe Zähne davon bekommt etc. etc..