[size=2]Dritter Eintrag: Wachbleiben![/size]
Es war leichter als gedacht und doch auch oft sehr schwer in den letzten fünf Tagen. Das Forum hilft mir, in der Spur zu bleiben. Habe gelesen von Lungenkrankheiten, Schwangerschaften, Selbsthass und Mut... und ich finde viele meiner eigenen Erfahrungen wie in einem Kaleidoskop tausendfach gespiegelt... und das hilft mir, wach zu bleiben. Wie viel davon habe ich all die Jahre verdrängt! Die Sucht hat mir mein Denken und Fühlen vernebelt.
Ich bin immer noch krank geschrieben (Woche 9). Diese Krankheit hat mir den Ausstieg ermöglicht. Im normalen Alltag würde ich es viel schwerer schaffen. Nächste Woche bin ich noch einmal krank geschrieben. Viele positive körperliche Veränderungen kann ich deshalb noch nicht spüren, weil es mir krankheitsbedingt noch schlecht geht. Ich kann auch nicht ganz genau auseinanderhalten, was Krankheit und was Entzug ist. Aber letztendlich ist das egal, es wird besser werden, alles, die Entzugserscheinungen und die Krankheitssymptome... wenn ich nicht rauche... Wachbleiben!
Und das Wachbleiben war das große Thema der letzten Tage für mich. Ich beobachte mich und mache interessante Entdeckungen: Zum Beispiel bekommt es mir ganz schlecht, Filme anzuschauen. Erstens wird da meist geraucht, zumindest in alten Filmen. Aber das erstaunlichste ist: nach dem Film bin ich wieder Raucherin, möchte aufstehen, auf den Balkon gehen und eine durchziehen... Mache ich natürlich nicht. Aber ich spüre den Effekt. Ich erkläre mir das so: Wenn ich einen Film schaue und er ist gut, dann verliere ich das Gefühl für Zeit und Ort, versinke in der Geschichte, merke nicht, dass ich Hunger habe oder aufs Klo muss... Ich wechsel vom wachen, achtsamen Zustand in eine Art Traumwelt. Und das Ergebnis merke ich danach... mein neues Nichtmehrraucherbewusstsein ist schlafen gegangen und die alte Routine wieder da... besser keine Filme mehr anschauen in den ersten Tagen... Wachbleiben!
Das deckt sich mit Yogalehren, die ich in den letzten zwei Jahren kennengelernt habe. Es geht da um Fokussierung, um Konzentration auf das Wesentliche und den Versuch, alles zu reduzieren oder abzuschalten, was uns daran hindert, wach, fokussiert und glücklich zu sein (Nikotin, Alkohol, Süßigkeiten, Filme, Radio, Zeitungen, Romane, Bewegungsmangel ...). Das ist der Gedanke der Askese. Natürlich will ich kein asketisches Mönchsleben, aber ein wenig Reizreduzierung hilft mir im Moment sehr...
Noch etwas, das mich überrascht hat: Ich leide gar nicht so sehr an starken Verlangensmomenten. Ich will nicht rauchen, das ist sonnenklar. Ich bin nicht in Versuchung, diesen Momenten nachzugeben. Aber ich bin überwältigt von den Gefühlen, euphorischen und traurigen, die über mich hereinbrechen. Früher immer mit Fluppe gedämpft, fehlen mir im Moment noch die Mittel, mit diesen Gefühlen irgendwie umzugehen. Gestern weinte ich wie ein Kind... und staunte über die Achterbahn meiner Seele... hier im Forum las ich: Das hältst Du aus. Ja, so ist es wohl, ich halte das aus und es geht vorrüber...
Die Schlaflosigkeit belastete mich gestern zum ersten mal. Um zwei einschlafen und um vier wieder aufwachen, das ist definitiv zu wenig. Meine Hausärztin hatte mir Lavendelölkapseln aufgeschrieben. Die nahm ich gestern abend... und egal ob Placebo oder nicht... sie haben gewirkt... erste Nacht mit normalem Schlaf...
Wachbleiben! Ich kann nur in der Spur bleiben, wenn ich schreibe.
Ich bin stolz auf meine fünf geschafften Tage, freue mich auf den sechsten und will Montag meinen siebten feiern. Eine Woche... mein nächstes Ziel...
ManyLu