Mein liebes Rauchfreitagebuch,
jetzt sind bereits 110 Tage ins Land gegangen - vor 110 Tagen habe ich meine letzte Zigarette genossen. Ja, wirklich, ich habe sie wirklich genossen. Zu Ende geraucht, im Aschenbecher ausgedrückt, ein Foto gemacht, eine Unschärfemaske darüber rechnen lassen, das Bild als Hintergrund auf mein Smartphone geladen... Abschied genommen. Es war eine schöne Zeit.
Und jetzt? Es fehlt mir immer mehr das Gefühl wie es mal war zu rauchen. Sehe ich rauchende Mitmenschen, so kommt ein warmes "Dankbarkeitsgefühl" in mir hoch, ich bin dankbar (wem oder was auch immer?), dass ich das nicht mehr mache(n muss).
Ich beobachte Raucher und Raucherinnen. Heute z. B.: Ich bin Springer einer Veranstaltung unserer Werbegemeinschaft und meine heroische Aufgabe ist es die Tische leerzuräumen - Gläser, Tassen, Teller... und Aschenbecher. Als guter Gastgeber werden Ascher natürlich nicht erst geleert wenn sie drohen zu überfüllen. Hui, in was für panische Gesichter ich da heute schauen konnte - "Nein, nimm mir nicht den Ascher weg... HIIIIIIILFE ". Echt krass. Und vor 110 Tagen war ich ähnlich gestrickt. Kaum ist der Biergarten betreten, wird nach einem Ascher Ausschau gehalten....
Neulich sagte ein Kollege nach dem gemeinsamen Mittag zu mir, dass er es schade fände, das ich nicht mehr mit raus käme - eine zu Rauchen. Er meinte, dass wir ja immer auch nette Gespräche geführt hätten - seinerzeit, als ich noch rauchte oder auch das eine oder andere aus dem Tagesgeschäft fruchtbar besprochen haben. Und das sei ja nun nicht mehr möglich. Natürlich ist das noch möglich. Entstanden aus meiner Enthaltungsstrategie hab ich mich als frisch gebackener Nichtmehrraucher nur den typischen Situationen entzogen. Sehr schnell wurde daraus Gewohnheit - nach dem Frühstück oder Mittag wieder an den Schreibtisch oder auf die Baustelle - ohne Zigarettenpause; das war schnell etabliert. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass in diesen kleinen Pausen auch wichtige Dinge passieren, aktuelle Themen besprochen oder soziale Kontakte gepflegt werden.
Jetzt setze ich mich manchmal wieder zu meinen Kollegen und wir quatschen wie früher. Ich nur ohne, meine Kollegen eben mit. Es stört mich nicht, sie rauchen zu sehen. Ich versuche lediglich dem Gestank auszuweichen.
Es macht Spass, zu fühlen, wie es ist, wieder sein eigener Herr zu sein. Einfach durch die Erkenntnis, dass es möglich ist, die Herausforderung Sucht zu besiegen, ist mein Selbstbewusstsein nur noch fester geworden. Dies spüre ich auch in den Reaktionen anderer auf mich. Ich werde anders wahrgenommen. Durch meine selbstsicherere Präsenz erhalte ich ein ganz anderes Feedback als noch zu Raucherzeiten.
Kleine Baustellen habe ich allerdings auch. Ich horche sehr viel in mich hinein und kleinste Zipperlein die ich wahrnehme, aktivieren schnell meinen Alarmmodus. Jetzt, wo ich nicht mehr rauche bin ich sportlich wesentlich aktiver - mit entsprechenden Nebenerscheinungen wie Muskelkater, kleine Zerrungen, Blockaden... tja, meine Knochen sind halt genauso alt wie ich es bin. Dumm nur, dass ich mich nur wesentlich jünger fühle und dumm auch: Meine Knochen wissen das nicht! Und wenn ich dann einen blockierten Brustwirbel habe, ist das gefühlt gleich ein Herzinfarkt. Und ich schimpfe mit mir und denke: "Tja, Klicker, da hast Du zu spät aufgehört". Tatsächlich aber ist mein Körper nicht genügend daran gewöhnt wieder so gefordert zu werden. Zudem habe ich ähnliches zu Raucherzeiten einfach "überraucht".
Mein kleiner Freund hat übrigens seinen Beruf gewechselt. In der ersten Zeit meinte er es ja nur gut mit mir und wollte mich lediglich dazu überreden etwas zu tun, was ich eigentlich auch wollte (seiner Meinung nach). Jetzt ist er allerdings Wissenschaftler geworden. Er forscht an einem Projekt in dem er unbedingt beweisen will, dass ein ehemaliger Raucher wie ich auch dann Nichtraucher bleiben kann, wenn er mal die eine oder andere Zigarette raucht. Bin mal gespannt wie er dieses Paradoxum löst. :kaputtlachsmile:Ich werde ihm dabei zuschauen - rauchfrei selbstverständlich.:riesengrinser:
Alles Liebe,
Klicker